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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)
Autoren: Jonathan Stroud
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ich nicht nur die früheren Gefühle und Gedanken eines Besuchers, sondern auch seine aktuellen.«
    »Mir ist schon ein paarmal aufgefallen, dass du sehr genau über die Besucher Bescheid weißt. Zum Beispiel über den Typen unter der Weide. Da hast du gesagt, dass er um jemanden trauert, den er sehr geliebt hat … Oder hat dieser Geist zu dir gesprochen?«
    »Nein, er hat gar nichts gesagt. Auch das habe ich nur gespürt. Aber ich kann mich auch geirrt haben. Ich weiß nie, ob ich den Gefühlen, die ich empfange, trauen kann oder nicht.« Ich nahm mir eine Trüffelpraline, drehte sie hin und her und legte sie wieder zurück. Dann gab ich mir einen Ruck. »Hör zu, Lockwood, manchmal liege ich auch fürchterlich daneben. Ich habe dir noch nie von meinem letzten Einsatz erzählt, bevor ich nach London gekommen bin. Damals war ich mir ziemlich sicher, dass es sich um einen gefährlichen Geist handelte, aber ich habe nicht auf mein Gefühl gehört und mein Berater auch nicht. Der betreffende Geist war ein Wandler, der uns alle zum Narren gehalten hat. Aber hätte ich meinem Gefühl getraut und mich durchgesetzt, dann … dann hätten vielleicht nicht so viele meiner Kollegen sterben müssen.« Ich schaute auf das Weise Tuch, weil ich Lockwood nicht ansehen konnte.
    »Das klingt eher danach, als hätte euer Berater unverantwortlich gehandelt, nicht du«, sagte er. »Schau, Lucy, in Combe Carey bist du deinem Gefühl gefolgt und nur deshalb haben wir das alles überlebt.« Als ich aufblickte, lächelte er mich an. »Ich vertraue deiner Gabe und deinem Urteilsvermögen. Und ich bin stolz darauf, dich in meinem Team zu haben, klar? Vergiss die Vergangenheit! Nur Geister leben in der Vergangenheit. Wir haben alle schon Dinge getan, die wir heute bereuen. Was zählt, ist die Zukunft … stimmt’s, George?«
    George hatte die Küchentür mit dem Fuß aufgestoßen, weil er einen Kasten Limo im Arm hatte. »Na, geht’s euch gut?«, fragte er. »Warum esst ihr denn gar nicht? Es ist noch so viel da. Verdammter Mist! Ich hab die Donuts vergessen!«
    Ich stand rasch auf, bevor er die Getränke absetzen konnte. »Kein Problem. Ich hol welche.«
    Im Untergeschoss war es immer kühl, deshalb bewahrten wir dort die verderblichen Lebensmittel auf. Als ich die warme Küche verließ, fröstelte ich ein bisschen, aber die Kälte war angenehm auf meinem erhitzten Gesicht. Ich stapfte die Eisentreppe hinunter und lauschte den Stimmen der beiden anderen, die durch die Decke drangen.
    Es hatte mir irgendwie gutgetan, mich Lockwood anzuvertrauen, aber ich war auch froh über den Vorwand, mich zu verdrücken. Ich dachte nicht gern an die Vergangenheit, auch nicht an meine enge Verbindung mit dem Geist. Nicht, dass ich Lockwood angelogen hätte. Ich hatte wirklich keine Anweisungen von dem Mädchen bekommen, jedenfalls nicht bewusst. Und unbewusst? Schwer zu sagen … Aber heute Abend hatte ich keine Lust, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Heute Abend wollten wir einfach rumhängen und es uns gut gehen lassen.
    Die Donuts standen im Hochsicherheitslager, weil es dort am kältesten war. Ich hatte den Karton in ein Regal neben der Tür gestellt. Da kam ich ran, ohne erst Licht machen zu müssen – dachte ich. Kaum drin, stolperte ich über eine Riesenschachtel Krabbenchips, die George sinnigerweise mitten auf den Fußboden gestellt hatte. Ich verlor das Gleichgewicht und krachte gegen das Regal. Erst stieß ich gegen eine harte Kante, dann landete ich auf etwas Weichem. Die Donuts. Na toll.
    Ich rappelte mich hoch, klopfte mir die Zuckerkrümel vom Rock und tastete im Dunkeln nach dem Karton.
    »Lucy …«
    Ich hielt erschrocken inne. Die Tür war hinter mir zugefallen. Nur an den Rändern drangen vier schmale Streifen Licht herein, sonst sah man die Hand vor Augen nicht.
    »Lucy …«
    Eine gedämpfte Stimme, die mir direkt ins Ohr zu flüstern schien. Irgendwie weit entfernt und doch ganz nah.
    Ich hatte keinen Degen dabei und keinen Waffengürtel um. Ich war völlig wehrlos.
    Ich streckte die Hand in die Richtung aus, in der die Türklinke sein musste.
    »Ich habe dich beobachtet.«
    Meine Hand schloss sich um die Klinke. Ich zog die Tür ein winziges Stück auf, nicht zu viel. Noch nicht. Die vier goldenen Lichtstreifen wurden breiter, die pechschwarze Dunkelheit verwandelte sich in eine Masse körnigen Graus. Auf dem Regalbrett über den Donuts stand etwas Gewölbtes unter einem gepunkteten Tuch.
    »Ja, genau …« , raunte die Stimme,
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