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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit
Autoren: wood
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unter allen Umständen zu vermeiden. Offenbar befürchtete sie eine Katastrophe.‹«
    »Ja, ich weiß. Ich war in schrecklicher Verlegenheit.«
    »Du hättest dein Gesicht sehen sollen! Das werde ich nie vergessen. Ich hätte nie geglaubt, daß jemand gleichzeitig rot und blaß werden kann.«
    »Ach, Colin!« Er zog mich wieder an sich und drückte mich so fest, daß ich kaum luftholen konnte. »Ich lasse dich nie wieder fort«, sagte er. »Vor zwanzig Jahren bist du spurlos aus meinem Leben verschwunden, aber jetzt bist du zurück und wirst für immer bei mir bleiben. Nichts kann uns mehr trennen, Leyla.«
    Ich war glücklich. Colin gefunden zu haben, war für mich das Ende eines Alptraums. Mit Colin an meiner Seite brauchte ich nichts mehr zu fürchten, brauchte ich die Last meines Wissens nicht mehr allein zu tragen. »Ich frage mich, welches gute Werk ich in der Vergangenheit getan habe«, sagte Colin mit einem leisen Lachen, »daß Gott dich plötzlich zu mir schickte.«
    Diese Worte holten mich mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurück. »Es war kein Zufall, Colin, daß ich hierher kam. Ich kam aufgrund eines Briefes.«
    »Aufgrund eines Briefes?« Colin ließ mich aus seinen Armen, hielt aber weiter meine Hände fest, während ich ihm von dem Brief berichtete, der uns kurz vor dem Tod meiner Mutter in London erreicht hatte. »Er war von Großtante Sylvia unterzeichnet«, erklärte ich, »aber hier entdeckte ich, daß sie den Brief in Wirklichkeit gar nicht geschrieben hatte. Ich sah an ihrem Tagebuch, daß es nicht ihre Handschrift war.«
    »Aber das verstehe ich nicht«, versetzte Colin verblüfft. »Du meinst, dich hat tatsächlich jemand hierhergelockt? Aber warum ausgerechnet unter Tante Sylvias Namen?«
    »Ich vermute, weil sie damals schon im Sterben lag, und der Briefschreiber sich deshalb gut hinter ihr verstecken konnte. Er wollte seinen Namen nicht preisgeben, und jetzt, da ich hier bin, tut er so, als wünsche er meine Abreise. Aber wer kann das sein, Colin?«
    Er überlegte. »Du mußt mir den Brief zeigen. Vielleicht erkenne ich die Schrift. Trotzdem verstehe ich das nicht: Warum soll dich jemand hierherlocken und sich dann nicht zu erkennen geben?«
    »Das weiß ich auch nicht. Aber das ist noch nicht alles, Colin«, sagte ich dann. »Von dem Tag an, als ich Thomas Willis’ Buch gelesen hatte, bekam ich plötzlich jeden Tag Kopfschmerzen. Nachdem Dr. Young mir erklärt hatte, daß Onkel Henry mit Digitalis vergiftet worden war, bekam ich Angst, und darum habe ich heute heimlich eine Probe von meinem Frühstückstee zu Dr. Young zur Analyse gebracht.«
    »Und?« fragte Colin heiser. »Er hat Spuren des Gifts darin gefunden.«
    »Nein! Mein Gott, Leyla, ich muß dich sofort von hier wegbringen.«
    »Colin – «
    »Das ist ja unfaßbar. Und ich ahnte nicht einmal, was hier im Haus vorging. Ich bin nur mit dir hier heraufgekommen, um dich zu bitten, doch noch einmal zu versuchen, deinen Erinnerungen auf die Spur zu kommen. Ich dachte, du würdest mir widersprechen, meine Vermutungen für lächerlich erklären, bestenfalls widerstrebend auf meinen Vorschlag eingehen. Statt dessen höre ich all diese grauenvollen Tatsachen von dir. Leyla!« Er faßte mich wieder bei den Schultern. »Du mußt von hier weg. Geh sofort nach London zurück.«
    »Nein, Colin«, widersprach ich ruhig.
    »Es ist nicht nötig, daß du dich in Gefahr begibst. Ich werde das hier allein lösen, und wenn alles geklärt ist, komme ich dir nach – «
    »Nein, Colin. Ich muß hier bleiben.«
    »Das kann ich nicht zulassen«, sagte er zornig.
    »Aber ich kann von hier nicht weggehen.« Ich sprach ruhig, aber bestimmt. »Wir wissen so viel, Colin, und doch wissen wir das Entscheidende nicht. Wir wissen nicht, wer der Mörder ist. Wenn wir es je erfahren wollen, muß ich mich erinnern, was damals im Wäldchen geschehen ist. Und das kann ich nur hier, nicht in London.«
    Colin war sehr aufgeregt, doch er wußte keinen Ausweg. Er konnte die Wahrheit dessen, was ich gesagt hatte, nicht leugnen, hatte aber große Angst um mich.
    »Solange der Mörder glaubt, ich wüßte nicht, daß ich langsam vergiftet werde, bin ich nicht in Gefahr«, sagte ich. »Ich muß einfach meine Rolle weiterspielen, Kopfschmerzen und Übelkeit vortäuschen, bis es mir gelingt, mich an alles zu erinnern. Nur wenn der Mörder merkt, daß ich seinen Plan entdeckt habe – «
    »Oder ihren.«
    » – bin ich in Gefahr. Wenn er – oder sie – nichts merkt,
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