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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung
Autoren: Deborah Hale
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einen brüderlichen Gruß zuvor? Glücklicherweise hatte er wieder einmal zu tief ins Glas geschaut, sodass sie seinem Zugriff entkommen konnte, wenn auch nicht ohne einen blauen Fleck auf der Wange. Aber danach hatte sie die ganze Nacht wach gelegen und inbrünstig gebetet, dass ihr Ehemann zu alt und schwächlich sein würde, um sie jemals derart lüstern zublicken.
    Inzwischen hatten die Herren mit unverhüllter Begeisterung auf das Wohl der schönen Braut getrunken und erwartungsvoll wieder Platz genommen.
    „Ich fürchte, ich werde nie in meinem Leben wieder so gut essen“, seufzte Francis, nachdem zunächst die Suppe aufgetragen worden war, gefolgt von Aal in Gelee und einer mit pikant gewürzten Nierchen gefüllten heißen Pastete.
    „Gefüllte Schnepfen!“, flüsterte der Geistliche andächtig, während er mit Messer und Gabel einen der knusprig gebratenen Vögel zerlegte. „Und sogar drei Paar davon.“ Hastig stopfte er sich ein großes Stück des zarten Fleisches in den Mund.
    Unter anderen Umständen hätte auch Julianna diese köstlichen Speisen sehr genossen, doch heute brachte sie kaum einen Bissen davon hinunter und spielte nur nervös mit dem Essen auf ihrem Teller. Aber auch Sir Edmund schob jedes einzelne Stückchen mehrfach hin und her, bevor er hin und wieder einmal eines davon in den Mund steckte.
    Um so mehr glich Francis die Appetitlosigkeit des Brautpaares aus. Er griff so herzhaft zu, als habe er wochenlang nichts Richtiges zu essen bekommen und erwarte auch in Zukunft denselben Mangel. Gut gelaunt scherzte er dabei mit dem Kuraten, während Jerome sich vorzugsweise an Sir Edmunds ausgezeichneten Weinen schadlos hielt.
    Als ein Lakai wieder einmal Juliannas kaum berührten Teller abräumte, fiel ihr Blick auf ein Porträt über dem Kamin. Es zeigte eine schöne Frau in dem Gewand der vorigen Generation. Mit ihrem ovalen Gesicht und dem festen Kinn ähnelte sie dem Hausherrn. Nur ihre Lippen waren voller, und die Augen sahen irgendwie vertrauenerweckend aus.
    Bei diesem Anblick wich Juliannas Zurückhaltung einer kindlichen Neugier. „Ist das ein Bild Eurer Mutter, Sir Edmund?“, erkundigte sie sich.
    Der Hausherr schreckte bei ihren Worten zusammen, so als habe er ihre Gegenwart völlig vergessen. Francis und der Kurat waren immer noch in ihr lebhaftes Gespräch vertieft, das Jerome hin und wieder mit albernen, abgestandenen Witzen zu bereichern versuchte. Inmitten dieses Stimmengewirrs schien sich Sir Edmunds Antwort mehr an die Frau auf dem Gemälde denn an Julianna zu richten, und sie musste sich näher zu ihrem Gatten neigen, um etwas verstehen zu können.
    „Leider kann ich mich an meine Mutter nicht erinnern“, sagte Sir Edmund gedankenverloren. „Sie starb bei meiner Geburt. Das Bild dort drüben zeigt meine Schwester Alice. Sie war mehr als ein Dutzend Jahre älter als ich und hat Mutterstelle bei mir vertreten. Nun ist sie auch schon fast zehn Jahre tot.“
    Nach einer kurzen Pause schien er noch etwas hinzufügen zu wollen, als Francis unvermittelt eine Frage an ihn richtete. „Wir haben gerade das Wappen der Fitzhugh dort an der Wand bewundert, Sir Edmund. Stimmt es, dass Ihr der Träger eines Adelstitels seid, der auf die Zeit von Wilhelm dem Eroberer zurückgeht?“
    Mit etwas bemühter Freundlichkeit erwiderte der Hausherr: „Der erste Fitzhugh kam tatsächlich zusammen mit Herzog Wilhelm nach England. Ich stamme jedoch von einer langen Linie jüngerer Söhne ab. Ein Edmund Fitzhugh nahm im Jahre 1096 bereits am ersten Kreuzzug teil, und ein späterer fiel 1148 bei Agincourt am 25. Oktober, dem Tag des Heiligen Crispin.“
    Die Erwähnung des Namens Crispin durch Sir Edmund war mehr, als Julianna ertragen zu können glaubte. Vielleicht hat Jerome ihm erzählt, wem meine wahre Liebe gehört, dachte sie verzweifelt, und nun will er mich an unserem Hochzeitstag damit erschrecken. Ihre Knie begannen so stark zu zittern, dass sie sie mit den Händen festhalten musste, und sie dachte dabeikrampfhaft über eine Möglichkeit nach, sich mit einer einigermaßen glaubhaften Entschuldigung zurückziehen zu können.
    In diesem Augenblick erhob sich Sir Edmund unvermutet. „Ich bitte nun, uns zu entschuldigen, meine Herren. Meine Gemahlin und ich möchten uns zurückziehen, da mein Gesundheitszustand derzeit nicht der beste ist und Lady Fitzhugh zweifellos noch an dem Kummer ihres erst jüngst eingetretenen schweren Verlustes leidet. Meine Tafel und mein Weinkeller stehen Euch
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