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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Schuttberg, fand aber kein Anzeichen einer zweiten Öffnung. Er stieg auf einen benachbarten Hügel und faßte den Pfad scharf ins Auge. Der Pilger war schon lange verschwunden. Nichts bewegte sich auf der uralten Straße. Nur ganz flüchtig kam ihm Bruder Alfred vor Augen, der über einen Kilometer entfernt in östlicher Richtung einen niederen Hügel überquerte, auf der Suche nach Feuerholz für seine Fastenklause. Bruder Alfred war stocktaub. Niemand sonst war zu sehen. Francis konnte sich gar keine Situation vorstellen, die einen Hilferuf notwendig machen könnte, aber die möglichen Folgen eines solchen Schreis schon vorher zu bedenken, schien nur ein Gebot der Vorsicht. Nach eindringlicher Prüfung des Geländes kletterte er vom Hügel herunter. Die Atemluft sollte lieber für eine rasche Flucht aufgehoben werden.
    Er wollte den Stein des Pilgers wieder an Ort und Stelle setzen, um das Loch wie früher zu schließen, aber die umgrenzenden Steine hatten sich leicht verschoben, so daß er nicht mehr an seinen vorigen Platz im Puzzle paßte. Überdies war die Lücke in der obersten Reihe seiner Schutzmauer noch immer offen, und der Pilger hatte recht gehabt: Größe und Umriß des Steins stimmten wahrscheinlich.
    Es gelang, den Stein in die Lücke zu schieben. Er prüfte den neuen Keil mit einem Stoß; die Reihe hielt fest, und das sogar, obwohl der Schlag einen kleinen Einsturz einige Meter entfernt bewirkte. Die Zeichen des Pilgers waren durch die Arbeit mit dem Stein verwischt worden, waren aber immer noch deutlich genug, um nachgeahmt zu werden. Bruder Francis zeichnete sie sorgsam mit einem verkohlten Zweig als Griffel auf einem anderen Stein nach. Wenn Prior Cheroki am Sabbat auf seine Runde zu den Klausen gehen würde, würde er sagen können, ob die Zeichen etwas bedeuteten, Zauber oder Fluch. Es war verboten, sich vor den heidnischen Geheimlehren zu fürchten, aber der Novize war auf jeden Fall neugierig zu erfahren, welches Zeichen über seiner Schlafmulde hängen würde, schon in Hinsicht auf das Gewicht des Bauwerks, auf dem das Zeichen geschrieben stand.
    Seine Mühen dauerten den ganzen heißen Nachmittag hindurch an. Die Erinnerung an die Öffnung tauchte beharrlich aus einem Winkel seines Verstandes auf, die Öffnung – das anziehende und doch furchterregende kleine Loch –, die Erinnerung an die schwachen Echos von irgendwoher unter der Erde, ausgelöst vom Poltern der Kiesel. Er wußte, daß die Ruinen hier um ihn herum sehr alt waren. Außerdem wußte er aus der Überlieferung, daß die Ruinen nach und nach von Generationen von Mönchen und vereinzelten Fremden bis auf diese unregelmäßigen Steinhaufen abgetragen worden waren. Die Männer hatten eine Fuhre Steine geholt oder Reste rostigen Stahls gesucht, auf den man stieß, wenn man die größeren Stücke von Pfeilern und Platten zerschmetterte, um die alten Bänder und Stäbe jenes Metalls hervorzuziehen. Metall, das von Menschen fast vergessener Generationen auf wunderbar rätselhafte Weise dem Stein eingepflanzt worden war. Diese Erosion durch Menschenhand hatte die Ähnlichkeit mit Gebäuden beinahe gänzlich verwischt. Eine Ähnlichkeit, die den Ruinen früherer Zeiten von der Überlieferung zugeschrieben wurde, obwohl der gegenwärtige Baumeister der Abtei stolz auf seine Fähigkeit war, die Andeutung eines Grundrisses hier und da wahrzunehmen und aufzeigen zu können. Es war auch noch Metall vorhanden, wenn man sich nur die Mühe gab, genug Steine zu zerklopfen.
    Auch die Abtei war aus jenen Steinen erbaut worden. Francis hielt die Vorstellung für unwahrscheinlich, daß die vielen Generationen von Steinmetzen irgend etwas Aufregendes, das unter den Ruinen noch der Entdeckung harrte, zurückgelassen haben könnten. Dennoch hatte er niemanden jemals von Gebäuden mit Kellern oder unterirdischen Räumen sprechen hören. Schließlich erinnerte er sich sogar, vom Baumeister als gewiß gehört zu haben, daß die Gebäude an dieser Stelle Anzeichen überstürzten Aufbaus zeigten, daß ihnen starke Fundamente fehlten, daß sie größtenteils auf flachen Platten auf der Erdfläche aufgesessen hatten.
    Als sein Schutzbau fast fertig war, wagte sich Bruder Francis zu der Öffnung zurück, stand davor und schaute sie an. Es war ihm unmöglich, von der Überzeugung des Wüstenbewohners zu lassen, daß, wo immer es einen Ort gab, sich vor der Sonne zu retten, dort irgend etwas schon versteckt lag. Gesetzt den Fall, das Loch wäre jetzt unbewohnt,
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