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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz
Autoren: Walter M. jr. Miller
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werde den Stein bezeichnen und einen Pfahl danebensetzen. Wenn du willst, kannst du’s ja mal mit ihm versuchen.«
    »Vielen Dank«, hauchte der Novize, aber er zweifelte, ob der alte Mann ihn gehört hatte. Er mühte sich weiter mit dem Text ab: »Libera me, Domine, ab vitiis meis, ut solius tuae voluntatis mihi cupidus sim, et vocationis…«
    »Na also«, rief der Pilger, »der Pfahl steckt, und der Stein ist bezeichnet. Und mögest du bald zu deiner Stimme finden, mein Junge. Olla allay!«
    Gleich nachdem der letzte Ruf verklungen war, bekam Bruder Francis den Pilger flüchtig zu Gesicht, wie er sich den Weg zur Abtei hinunterschleppte. Der Novize sandte ihm einen sanften Segen nach und ein Gebet um sichere Wanderschaft.
    Die Abgeschiedenheit war wiederhergestellt. Bruder Francis verstaute das Buch in seinem Bau und nahm wieder seine vom Zufall bestimmte Maurerarbeit auf. Noch bemühte er sich nicht, den Fund des Pilgers zu untersuchen. Während sein ausgemergelter Körper sich streckte, sich überanstrengte und unter der Last der Felsbrocken taumelte, fuhr sein Geist wie eine Mühle fort, das Gebet um Gewißheit der Berufung zu wiederholen: »Libera me, Domine, ab vitiis meis… O Herr, nimm meine Sünde von mir, damit in meinem Herzen ich nur nach Deinem Willen verlange und Deine Stimme vernehme, wenn sie mich ruft… ut solius tuae voluntatis mihi cupidus sim, et vocationis tuae conscius si digneris me vocare. Amen. O Herr, nimm meine Sünde von mir, damit in meinem Herzen…«
     
     
    Eine himmlische Herde von Haufenwolken begann jetzt die Sonne zu verdecken. Sie war auf ihrem Weg, den Bergen feuchten Segen zu erteilen, nachdem sie die verdorrte Wüste grausam genarrt hatte. Dunkle Wolkenschatten zogen über das aufgeworfene Land. Hin und wieder boten sie angenehme Erholung von den sengenden Sonnenstrahlen. Immer wenn ein eilender Wolkenschatten über die Ruinen hinglitt, arbeitete der Novize wie rasend, bis der Schatten weiterzog, um sich dann auszuruhen und auf das nächste Wölkchen zu warten, das der Sonne das Licht nehmen würde.
    Beinahe zufällig entdeckte Bruder Francis schließlich den Stein des Pilgers. Wie er so in der Gegend herumlief, stolperte er über den Pfahl, den der alte Mann als Zeichen in den Boden getrieben hatte. Er fand sich auf Händen und Knien zwei Zeichen anstarren, die erst vor kurzem mit Kreide auf einen uralten Stein geschrieben worden waren:
     

     
    Die Zeichen waren so sorgfältig gezogen, daß Bruder Francis sofort für sicher annahm, es müsse sich um symbolische Zeichen handeln. Aber Minuten des Nachsinnens führten nur ins Sinnlose. Vielleicht Zeichen eines Zauberers? Doch nein, der alte Mann hatte »Gott mit dir« gerufen, was bei einem Zauberer ganz unwahrscheinlich war. Der Novize stemmte den Stein aus dem Schutt heraus und drehte ihn um. Dabei klang ein schwaches Grollen aus dem Schuttberg. Ein Kiesel polterte den Hang hinunter. Francis befürchtete einen Steinschlag und hüpfte rasch beiseite. Alles war wieder ruhig. An der Stelle jedoch, wo der Fels des Pilgers eingekeilt gewesen war, zeigte sich jetzt ein kleines dunkles Loch. Oft waren Löcher bewohnt.
    Das Loch schien aber so fest vom Stein des Pilgers verschlossen gewesen zu sein, daß selbst ein Floh kaum hätte eindringen können, bevor Francis den Stein herausgewälzt hatte. Auf jeden Fall suchte sich Francis einen Stock und schob ihn behutsam in die Öffnung hinein. Der Stock stieß auf keinen Widerstand. Als er ihn losließ, rutschte er in das Loch hinein und verschwand wie in eine größere unterirdische Höhle. Er wartete unruhig. Nichts kroch ans Tageslicht.
    Er ließ sich wieder auf die Knie nieder und schnüffelte vorsichtig an der Öffnung. Er bemerkte weder Tiergeruch noch irgendeine Spur von Schwefelgestank. Er warf eine Handvoll Kiesel hinein und neigte sich tiefer, um zu lauschen. Die Kiesel sprangen knapp unterhalb der Öffnung einmal auf, rasselten dann weiter in die Tiefe, schlugen gegen etwas Metallisches und kamen schließlich sehr tief unten zur Ruhe. Der Hall klang nach einer unterirdischen Höhlung von der Größe eines Zimmers.
    Bruder Francis erhob sich schwankend auf seine Füße und schaute sich um. Er schien wie üblich allein, abgesehen von seinem Genossen, dem Geier, der hoch über ihm schwebend die letzten Tage soviel Interesse an ihm gezeigt hatte, daß weitere Geier ab und zu ihre Gebiete fern am Horizont verließen, um sich hier ein wenig umzusehen.
    Der Novize umrundete den
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