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Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Titel: Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
Autoren: Berte Bratt
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Eindruck gemacht. Von diesem Augenblick an erwähnte Lisbeth den Namen Erling Boor nicht mehr. Kämpfte sie einen inneren Kampf? Wer ihr doch nur hätte helfen können! Wer sie dazu hätte bringen können, daß sie sich offen aussprach!
    „Nein“, sagte Heming. „Ich glaube, Lisbeth ist jetzt soweit, daß sie sich allein durchkämpfen kann. Sie leidet sehr, aber wir können ihr erst helfen, wenn sie uns selber darum bittet.“
    Sie rannte auch nicht mehr jedesmal, wenn das Telefon läutete, nach dem Apparat. Eines Tages ging ich hin und rief ein paarmal „hallo“, aber am anderen Ende des Drahtes wurde nichts gesagt. Nachdem ich noch einmal „hallo“ gerufen hatte, hörte ich deutlich, wie der Hörer aufgelegt wurde.
    „Meldete sich niemand?“ fragte Lisbeth.
    „Nein. Ich hörte, daß jemand am Apparat war, aber er legte nur den Hörer auf.“
    „So?“ sagte Lisbeth. Ich merkte, daß sie verstohlen nach der Uhr blickte. Vielleicht war sie darauf vorbereitet gewesen, daß zu dieser Zeit ein Anruf erfolgte…
    Einige Tage später saßen wir beim Nachmittagskaffee. Heming studierte die Abendzeitung.
    „Du lieber Gott!“ rief er plötzlich.
    „Was ist?“ fragte ich.
    „Ein Autounglück infolge Trunkenheit“, sagte Heming und las vor: „Heute morgen um vier Uhr verunglückte ein Sportwagen, dessen Fahrer stark angetrunken war. Die Windschutzscheibe zerschnitt der jungen Begleiterin das Gesicht. Es besteht Gefahr, daß sie ein Auge verliert. Der Fahrer selber ist verhältnismäßig gut davongekommen. – Ja“, meinte Heming, „in solchen Augenblicken findet man es durchaus richtig, wenn ein Autofahrer, der sich in berauschtem Zustand an das Steuer setzt und sich und andere gefährdet, ins Gefängnis wandert.“
    Lisbeth hatte ihre Augen auf Heming gerichtet. Sie sagte nichts, aber in ihrem Blick stand deutlich eine Frage zu lesen.
    „Ein solch gewissenloser Mensch verdiente, daß sein Name in der Zeitung genannt wird“, sagte Heming.
    Lisbeth wandte die Augen von ihm ab. Es war also keine Antwort auf ihre Frage zu erhalten.
    Am Abend kam Nils. Lisbeth war oben in ihrem Zimmer. Daher sprach Nils, ohne erst Umschweife zu machen. „Ihr habt wohl von dem Autounfall gelesen? Ja, es war tatsächlich Erling Boor. Die Dame ist ein Fräulein Henningsen. Diebeiden kamen von Boors Hütte. Ich brauche wohl nichts mehr hinzuzufügen.“
    „Woher weißt du es, Nils?“
    „Ich kenne eine Beamten von der Verkehrspolizei. Und es lag mir viel daran, den Namen des Fahrers kennenzulernen.“
    „Wer soll es Lisbeth erzählen?“ Wir blickten einander fragend an. Heming oder ich? Würde Lisbeth uns in ihrer Verzweiflung Schadenfreude vorwerfen? Welche Worte sollten wir wählen? Es galt, vorsichtig zu sein. Lisbeths Wunde war noch frisch.
    Marianne stand auf. „Ich tue es.“ Sie warf einen Blick auf Heming und mich – einen Blick voller Güte und Verständnis. Dann ging sie zu Lisbeth hinauf.
    Lisbeth kam zum Abendessen herunter. Ihre Augen waren verdächtig gerötet, und sie sprach wenig. Wir ließen sie in Frieden. Nils und Marianne verabschiedeten sich zeitig. Und Lisbeth sagte gute Nacht. Wie ein kleiner Schatten glitt sie aus der Stube. Sie lief ein wenig in ihrem Zimmer umher. Dann wurde es still.
    Heming und ich gingen zu Bett. Aber es war mir ganz unmöglich zu schlafen. Mein kleines Mädchen! Auch sie konnte sicher nicht schlafen! Heming und ich waren ja übereingekommen, daß wir nichts tun wollten, solange Lisbeth nicht selber zu uns kam. Wir wollten uns nicht aufdrängen. Ich kämpfte mit mir selber. Sollte meine Tochter denn wirklich den Kampf ganz allein durchkämpfen? Was für eine Mutter war ich, wenn ich sie in dieser Nacht allein ließ?
    Die Zeit verging. Die Uhr schlug zwölf. Ich hielt es nicht länger aus. Lautlos stand ich auf, schlüpfte in meine Pantoffeln und zog den Morgenrock an. Dann überquerte ich auf Zehenspitzen den Gang und öffnete ganz leise die Tür.
    Lisbeth lag auf ihrem Bett. Ihr Gesicht war in den Kissen vergraben. Ich setzte mich auf die Bettkante, sagte aber nichts. Da drehte sie sich um, und eine glühendheiße kleine Hand tastete nach der meinen, und sie vergrub ihren Kopf in meinem Schoß. Ihre Stimme war heiser und ganz matt vom vielen Weinen. „Mutti – Mutti – Mutti!“
    Ich strich ihr über das Haar. Sie ergriff meine Hand und führte sie an ihre Wange. Es war still im Zimmer. Plötzlich aber fing sie an zu schluchzen. Und während sie meine Hand streichelte,
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