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Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Titel: Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
Autoren: Berte Bratt
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selber. Wir leiden alle miteinander, Marianne – und nur wegen dieser verflixten Geschichte.“
    Ja, wir litten. Das vertraute, frohe Beisammensein und der Sonnenschein waren aus unserem Haus geschwunden. Aber Peiks Befinden besserte sich glücklicherweise von Tag zu Tag. Die Temperatur war gefallen, und die roten Punkte waren fast völlig verschwunden. Bald sollte er aufstehen. „Peik ist unersättlich“, seufzte Marianne eines Nachmittags. „Mein Gehirn ist leer wie eine ausgepreßte Zitrone. Wäre er doch wenigstens so wie andere Jungen, die immer wieder dieselben Märchen hören wollen – aber keine Spur! Der junge Mann will ständig eine neue Geschichte hören!“ Ichkannte das schon von früher her. Die Fähigkeit meines Sohnes, geistige Nahrung zu verdauen, steht auf gleicher Höhe mit seinem Appetit auf körperliche Nahrung. Damit ist alles gesagt.
    „Habt ihr nicht noch mehr Märchen- oder Bilderbücher im Hause?“ fragte Marianne matt. „Wir kennen jetzt schon die ganze Bibliothek auswendig.“
    „Lisbeth“, sagte ich, „wie steht es mit dem Kasten in deinem Wandschrank? Liegen darin nicht noch ein paar alte Bücher?“
    „Das sind nur Mädchenbücher.“
    „Du bist ein Engel!“ rief Marianne. „Her damit, was es auch sei! – Ich glaube übrigens, man könnte Peik ohne weiteres ein altes Telefonbuch vorlesen.“
    „Sehen wir einmal nach, was es ist!“ schlug ich vor.
    Der Kasten wurde hervorgeholt und untersucht. Er enthielt tatsächlich einige alte Kleinmädchenbücher und ein paar alte Bilderbücher. Es ging, wie es immer geht, wenn man Bücher durchsieht. Wir blieben sitzen, blätterten und lasen.
    Plötzlich sprach Marianne. Ihre Stimme war leiser als sonst, und sie hatte einen merkwürdigen, zittrigen Unterton.
    „Lisbeth – wo – wo hast du dieses Buch her?“
    Lisbeth warf einen schnellen Blick auf das Buch, das Marianne in der Hand hielt. Es war ein teures, dickes amerikanisches Bilderbuch. Die Gesichter auf dem Umschlag hatte eine ungeschickte kleine Kinderhand mit blauen und roten Brillen versehen.
    „Dieses Buch? Das habe ich einmal in Geilo von einem Freund meiner Mutter bekommen. Er war übrigens der widerwärtigste Mensch, der mir je begegnet ist. Ein Ekel! Puh! Schmeiß bloß das saudumme Buch weg!“
    Lisbeth sprach mit erhobener Stimme. Ihre Worte waren ganz unverkennbar an mich gerichtet. Es war ihre Revanche: die Quittung für die Charakteristik, die ich von Erling Boor gegeben hatte.
    Aber Marianne saß mit einem fernen Blick in den Augen und einem elfenbeinweißen Gesicht auf ihrem Stuhl. Sie hielt das Bilderbuch an sich gedrückt und sagte mit einer seltsamen, toten Stimme:
    „Lisbeth! Dieses – dieses Buch hat einmal mir gehört. Du – du bekamst es von – meinem Vater.“
    Wir hatten Erna gebeten, Peik eine Weile Gesellschaft zu leisten, und uns in der Wohnstube niedergelassen. Marianne saß im Sofa neben mir. Sie hielt meine Hand.
    „Jetzt will ich erzählen“, sagte Marianne.
    „Warte einen Augenblick!“ sagte ich. „Zuerst möchte ich erzählen. Du sollst wissen, welche Bindung zwischen Carl – zwischen deinem Vater und mir bestanden hat. Wir lernten uns vor zehn Jahren kennen. Wir dachten daran, uns zu verheiraten. Dein Vater war sehr reizend zu mir und – nun ja, wir glaubten, wir wären ineinander verliebt. Aber wir irrten uns. Was mir die Augen öffnete und mir klarmachte, daß wir – ja, daß wir nicht zueinander paßten, war der Umstand, daß Ca – , daß dein Vater keine Lust hatte, Lisbeth zu behalten. Er mochte Kinder nicht. Als ich von seiner ersten Ehe und von deiner Existenz erfuhr, Marianne, fand ich es merkwürdig, da ich dich niemals zu sehen bekam, daß dein Vater sich nicht nach dir sehnte. Da wurde Lisbeth krank, und ich hatte Angst, ich könnte sie verlieren. In den langen Nächten, die ich wachend an ihrem Bett verbrachte,wurde es mir klar, was es bedeutete, wenn ich deinen Vater heiratete: ich hätte Lisbeth verraten, und ich hätte das Beste in mir selbst verraten. Die Verlobung mit deinem Vater – denn so muß ich es wohl nennen – war nur auf Eitelkeit, gegenseitige Eitelkeit, gegründet. Ihm gefielen meine Sprachkenntnisse und meine Talente, für die er Verwendung hatte, und mir – mir gefielen wohl seine Höflichkeit und seine Fürsorge und seine gesellschaftliche Stellung und… Nun ja, es wurde also nichts daraus, und in der Zwischenzeit hatte ich Heming kennengelernt. Und so war es eben aus.“
    Marianne drückte
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