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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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Vaters – ein einsames, wolfsähnliches Heulen, das sie nie
vergessen würde. Als ihr Mann in die Hütte zurückkehrte, hatte Bess Mae
gebadet, so gut sie konnte, und sie auf frische Laken gebettet. Sie selbst stand
am Waschtisch und schrubbte ihre Arme und Hände mit der starken gelben Seife,
als Will hinter sie trat und ihr die Hände auf die Schultern legte. Sie
erkannte kaum die grimmige Frau mit dem wirren Haar, die ihr aus dem Spiegel
entgegenstarrte, als sie den Blick erhob, um Will anzusehen.
    Er blieb
noch einen Moment so stehen und ließ die Hände auf ihren Schultern ruhen, aber
dann, weil er wahrscheinlich wußte, daß es keine Worte gab, die ihr Entsetzen
hätten mildern oder die schrecklichen Erinnerungen aus ihrem Kopf verbannen
können, wandte er sich wortlos ab. Nachdem er das kleine, reglose Bündel
aufgehoben hatte, ging er wieder still hinaus.
    Bess schlug
die Hände vors Gesicht. Wie hatte sie nur glauben können, sie wäre stark und
tapfer genug, um in diesem wilden, unzivilisierten Land zu leben?
    Erst als
Will Bess abgeholt, ihr etwas zu essen gegeben und sie zu dem Bett geführt
hatte, das er in der Scheune für sie zurechtgemacht hatte, ließ ihre eiserne
Beherrschung nach, und endlich schrie sie ihren Schmerz heraus und ließ die
Tränen ungehindert über ihre Wangen strömen.
    »Das könnte
uns auch passieren«, schluchzte sie an Wills Schulter, als sie endlich wieder
imstande war, einen zusammenhängenden Satz zu formen. »Es könnte unser Baby
sein, das wir das nächste Mal begraben!«
    »esst«,
sagte Will und zog sie an sich. »Der Tod kann überall zuschlagen, Bess, das
weißt du.«
    Heftig
schüttelte sie den Kopf. »In Philadelphia hätten wir einen Arzt geholt!«
    »Bess,
bitte – du mußt aufhören, dich so zu quälen. Was geschehen wäre oder hätte
geschehen können, ist jetzt nicht mehr wichtig; es ist vorbei, und uns bleibt
nichts anderes übrig, als weiterzumachen, so gut wir können.«
    Seine Worte
konnten Bess nicht trösten, aber sie war so müde, daß sie schon kurz darauf in
einen tiefen Schlaf versank, in
dem sie die furchtbarsten Alpträume quälten. Sie träumte, Indianer hätten Will
erschossen, und daß sie ihn in den Armen hielt, während sein Blut ihr Mieder
und ihre Röcke durchnäßte und die frischgepflügte Erde unter ihnen in roten
Schlamm verwandelte. In einem anderen, noch grausameren Traum waren sie
glücklich, die Sonne schien, und zwei kleine Töchter arbeiteten mit Bess im
Garten, während zwei stramme Söhne Will auf dem Feld zur Hand gingen.
    Plötzlich
schob sich eine Wolke vor die Sonne, und die Kinder schlossen die Augen, alle
vier auf einmal, und sanken in einem langsamen, anmutigen Todestanz zu Boden.
    Bess
erwachte schreiend, und Will mußte sie ganz fest in die Arme nehmen und sanft
mit ihr reden, um sie wieder zu beruhigen.
    Am nächsten
Tag schlug Mae die Augen auf, und als Tom ihr schonend beibrachte, daß das Baby
tot auf die Welt gekommen war und er es in einiger Entfernung von der Hütte
begraben hatte, im Schatten eines Zedernbaums, schlug Maes leises Wimmern neue
Wunden in Bess' blutendes Herz.
    Mae stand
bald wieder auf, obwohl sie sich noch längst nicht ausreichend erholt hatte,
weder körperlich noch seelisch – aber Tom hatte es eilig, nach Spokane zu
kommen, bevor alle Jobs vergeben waren, und weder Wills noch Bess' Bitten und
Einladungen vermochten ihn von seinem einmal gefaßten Entschluß abzubringen.
    Will
verbrannte die alte Matratze und fertigte eine neue an, indem er zwei alte
Decken zusammennähte und sie mit Stroh aus der Scheune füllte. Er war still und
wirkte grimmig, und für Bess war es nur zu offensichtlich, daß er längst
erraten hatte, was ihr durch den Kopf ging.
    Trotzdem
mußte sie ihm sagen, was sie vorhatte, offen, ehrlich und von Angesicht zu
Angesicht. Denn das zumindest schuldete sie ihm – das und noch erheblich mehr.
    Sie packte
eine kleine Tasche – ihre anderen Sachen standen in der Scheune, um ihr später
nachgeschickt zu werden – und gab sie Tom Jessine, damit er sie auf seinen
Wagen lud.
    Darm ging
sie zur Mine, wo Will den ganzen Morgen geschuftet hatte, obwohl er noch nicht
mit der Aussaat auf den Feldern fertig war. Bess wußte allerdings, daß er nicht
die Hacke schwang, um Kupfererz zu finden, sondern weil er jetzt harte, brutale
Arbeit brauchte, um sich abzureagieren.
    Sie blieb
in der gähnenden Öffnung der Mine stehen, damit ihre Augen sich an die
Dunkelheit gewöhnen konnten, denn
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