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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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ging zur Tür.
    Das Jackett
mit der Halskette blieb an dem Haken hängen.
    Fortner
führte Elisabeth durch die Dunkelheit die schmale ummauerte Treppe hinauf,
öffnete die Tür zu Tristas Zimmer und fand seine Tochter tief schlafend vor. In
den Armen hielt sie eine große Lumpenpuppe mit gelben Haaren.
    Ein
liebevolles Lächeln huschte um Jonathan Fortners sinnlichen Mund. Er beugte
sich hinunter und küßte das Kind leicht auf die Stirn. Nachdem er die nicht
mehr benötigte Milch auf das Nachttischchen gestellt hatte, gab er Elisabeth
ein Zeichen, vor ihm auf den Korridor zu gehen.
    Elisabeth
war klar, daß sie durch diese Tür ursprünglich die Twilight Zone betreten
hatte. Hastig lief sie hindurch und war sicher, auf der anderen Seite in ihrem
Bett aufzuwachen.
    Statt
dessen fand sie sich auf einem Korridor, der vertraut und doch erschreckend
anders war als jener, den sie kannte. Eine bemalte Porzellanlampe brannte auf
einem Tisch, Fotos hingen an den Wänden. Den gemusterten Läufer auf dem Boden
hatte Elisabeth noch nie gesehen.
    »Es muß die
Rindfleischkasserolle gewesen sein«, sagte sie.
    Dr. Fortner
warf ihr einen Blick zu und schob sie in den Raum neben dem Zimmer, in dem sie
eigentlich schlafen sollte. »Ruhen Sie sich aus, Miss McCartney. Und denken Sie
daran – wenn Sie aufstehen und herumwandern, werde ich Sie hören.«
    »Und was
werden Sie dann machen?«
    »Sie für
den Rest der Nacht in die Speisekammer sperren.«
    Obwohl es
im Zimmer fast dunkel war, erkannte sie, daß er nicht scherzte. Er führte sie
zu einem Bett und zog die Decken zurück, und Elisabeth kämpfte gegen den
seltsam erotischen Gedanken, wie es wäre, würde er ihr Gesellschaft leisten.
Das sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Ian hatte sich immer beklagt, daß sie
nicht leidenschaftlich genug war. Sie beschloß, einfach ihre Augen zu
schließen. Am Morgen würde sie dann in ihrem eigenen Bett erwachen.
    »Gute Nacht«,
sagte Dr. Fortner. Das Timbre seiner Stimme war voll und tief, und er roch nach
Regen und Pferden und Pfeifentabak.
    »Gute Nacht«,
erwiderte sie pflichtschuldig.
    Sie lag
wach und lauschte. Eine Uhr tickte. Regen klopfte an
das Fenster. Eine Tür öffnete und schloß sich, und Elisabeth stellte sich vor,
wie Dr. Fortner sich auszog. Bestimmt machte er es methodisch und mit einer
gewissen maskulinen Anmut.
    Elisabeth
schloß fest die Augen, aber die aufreizenden Bilder blieben, und ihr Blut
begann zu pulsieren.
    »Lieber
Himmel, Beth«, murmelte sie. »Das ist doch ein Traum. Ist dir klar, was Rue
sagen wird, wenn sie davon hört? Und du wirst auch noch dumm genug sein, es ihr
zu erzählen. Sie wird sagen: ,Such dir ein neues Leben, Bethie. Noch besser,
such dir einen Psychiater.«
    Elisabeth
wartete lange, kroch dann aus dem Bett und verzog das Gesicht, als sie die Tür
öffnete. Zum Glück quietschte
sie nicht in den Angeln, und die Dielen knarrten nicht. Elisabeth tastete sich
den Korridor zur Haupttreppe entlang.
    Soviel zu
Ihren Drohungen, Dr. Fortner, dachte sie selbstzufrieden, während sie durch den
großen Wohnraum und das Speisezimmer eilte.
    In der
Küche stieß sie sich die Zehen, als sie versuchte, die Streichhölzer auf dem
Tisch zu finden, und schrie schmerzlich auf, bevor sie sich zurückhalten
konnte. Das Feuer im Herd war erloschen, der Raum war kalt.
    Elisabeth
riß das Jackett von dem Haken und zog es an. Dann kauerte sie in der Dunkelheit
neben den Schränken
und wartete darauf, daß Jonathan Fortner hereinstürmte und seine Drohung mit
der Speisekammer wahr machte.
    Nach
schätzungsweise zehn Minuten kam Elisabeth aus ihrem Versteck. Die Finger in
der Jackettasche um die
zerrissene Halskette geschlungen, schob sie sich langsam und vorsichtig über
die kleinere Treppe in Tristas Zimmer.
    Sie blieb
eine Weile neben dem Bett stehen und betrachtete das schlafende Kind, als ihre
Augen sich den herrschenden
Lichtverhältnissen angepaßt hatten. Tränen sammelten sich an ihren Wimpern,
als sie daran dachte, was dieses kleine Mädchen alles verpaßt hatte, weil es
jung gestorben war.
    Elisabeth
beugte sich hinuter und küßte Trista auf die Stirn, dann ging sie zu der Tür,
durch die sie vor Stunden ungewollt hereingestolpert war. Die Augen fest geschlossen,
die Finger um die Halskette geschlungen, drehte sie den Knauf und trat über die
Schwelle.
    Fast eine
Minute stand sie zitternd auf dem Korridor und hatte Angst, die Augen zu
öffnen. Das Gefühl des Plüschteppichs unter ihren nackten Füßen
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