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Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um

Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um

Titel: Liliane Susewind - So springt man nicht mit Pferden um
Autoren: Tanya Stewner
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offenbar sehr unangenehm. Stockend antwortete sie: »Sie sind … weg.«
    »Weg?«, wiederholte Herr Gümnich.
    Trixis Mund war nur noch ein schmaler Strich.
    Zwischen Lillis Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. Was ging hier vor? Hatte Trixi etwa irgendetwas mit dem Verschwinden von Wolkes Schuhen zu tun?
    »Ich möchte nicht darüber reden«, presste Wolke hervor.
    »Hast du sie ausgezogen?«, wollte der Lehrer wissen.
    »Blöde Frage«, stieß Trixi zwischen den Zähnen hervor. Aber außer Lilli schien es niemand zu hören.
    »Ist doch egal«, gab Wolke zurück, und man merkte ihr an, dass sie kurz davor stand, zu weinen.
    »Du kannst es ruhig sagen.«
    »Nein, kann ich nicht!« Wolke verschränkte die Arme, und in ihre Augen schossen Tränen.
    »Du wirst sie doch nicht einfach so verloren haben …«
    »Natürlich nicht!«, platzte Trixi heraus.
    Alle Augen richteten sich auf sie.
    »Trixi?«, fragte Herr Gümnich. »Weißt du etwas darüber?«
    Trixi schwieg und biss die Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefermuskeln hervortraten.
    Wolke schniefte. »Bitte fragen Sie nicht!«
    »Ich kann das nicht einfach ignorieren.« Herr Gümnich holte hörbar Luft. »Wir können auch unter vier Augen –«
    »Wolke ist abgezogen worden«, sagte Trixi tonlos.
    »Halt den Mund, Trixi!«, keuchte Wolke.
    »Abgezogen?«, fragte Herr Gümnich. »Du meinst, ihre Schuhe sind ihr gestohlen worden?«
    »Ja. Ihre Schuhe sind ihr gestohlen worden.«
    »Von wem?«, verlangte der Lehrer zu wissen.
    »Nicht!«, flehte Wolke, aber Trixi ignorierte sie. »Von Gloria und Viktoria«, erwiderte sie mit dumpfer Stimme.
    Gloria, die bisher völlig unbeteiligt dagesessen hatte, zischte: »Überleg dir gut, was du sagst, Korks!«
    Trixi hielt einen Moment lang inne. Dann sagte sie: »Ich habe eben gesehen, wie Gloria und Viktoria Wolke gezwungen haben, ihnen ihre neuen Schuhe zu geben.«
    Gloria schlug auf den Tisch. »Halt’s Maul, Korks!«
    Trixis Stimme wurde lauter. »Und das war nicht das erste Mal, dass die beiden Wolke abgezogen haben.«
    Gloria stand auf. »Wenn du noch ein Wort sagst …«

    Aber Trixi sprach ohne Pause weiter. »Letzte Woche haben die beiden Wolke gezwungen, ihnen ihre Kette mit dem Pferdeanhänger zu geben. Ich habe sie beobachtet. Sie haben Wolke gedroht, sie zu verprügeln, wenn sie ihnen den Anhänger nicht gibt.«
    »Das ist doch totaler Quatsch!«, schrie Viktoria und sprang ebenfalls auf. »Das stimmt alles gar nicht!« Ihre Stimme schrillte durch das Klassenzimmer.
    Herr Gümnich sah mit strengem Blick von einer zur anderen, dann zu Wolke. »Stimmt es, was Trixi sagt?«
    Es wurde totenstill im Raum. Alle warteten auf Wolkes Antwort. Wolke machte sich auf ihrem Stuhl ganz klein, doch schließlich stieß sie hervor: »Ja. Trixi sagt die Wahrheit.«
    Mehrere Schüler schnappten nach Luft. Der Lehrer ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Gloria und Viktoria standen mit hochroten Gesichtern hinter ihrem Tisch, aber es gab nichts, was sie jetzt noch sagen konnten.
    Herr Gümnich rieb sich betroffen den Nacken. »Ich rufe eure Eltern an«, sagte er und erhob sich, um zu telefonieren.
    Eine Stunde später waren die Plätze der Mädchen leer. Glorias Vater und Viktorias Mutter waren gekommen und saßen nun mit ihren Töchtern beim Direktor der Schule. Sowohl Wolkes bronzefarbenen Pferdeanhänger als auch ihre Schuhe hatte man in Glorias Rucksack gefunden.
    Es herrschte eine seltsame Stimmung im Klassenraum. Lilli konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren, denn ihre Gedanken kreisten um Wolke. Wolke war von Gloria und Viktoria bestohlen und erpresst worden – und hatte aus Angst nichts gesagt! Wieso hatten Jesahja und sie das nicht bemerkt? Trixi hatte es doch auch bemerkt! Aber noch erstaunlicher war, dass Trixi sogar den Mut gehabt hatte, die Mädchen zu verraten. Trixi, die bisher immer selbst diejenige gewesen war, die anderen gedroht und sie verletzt hatte! Lilli schaute aus den Augenwinkeln zu ihrer Erzfeindin, die wie eine Säule aus Stein neben ihr saß. Lilli hatte keine Ahnung, was in dem großen, blonden Mädchen mit den Sommersprossen vorging. Aber sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass Wolke ohne Trixis Hilfe womöglich noch viel länger gedemütigt und erpresst worden wäre. Wolke war offenbar viel zu ängstlich, um sich zu wehren.
    Es klingelte zur Hofpause. Lilli war froh, aus dem Klassenraum hinaus und auf den Hof zu kommen. Wolke folgte ihr mit gesenktem Kopf. Sobald sie den Schulhof
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