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Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Lied ohne Worte: Roman (German Edition)

Titel: Lied ohne Worte: Roman (German Edition)
Autoren: Sofja Tolstaja
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erfreuen?»
    Sie bogen von der Landstraße ab und fuhren in den stillen, feierlichen Wald hinein. Im Gesträuch flatterten rastlos die Vögel. In der Ferne schrien die Wachtelkönige, einander übertönend, mit ihren knarrenden Stimmen im Moor, über dem Nebel aufstieg. Die Frösche quakten und krakeelten frühlingshaft laut, und die Erinnerungen trugen Sascha zu ihrem Landgut und jenem alten Teich, an dem man auf dem Weg zum Haus vorbeikam.«Nein, nicht die Erinnerung, ich will, ich kann nicht länger leiden und weinen… Voran, voran, leben muss man, nicht zurück», dachte Sascha, als sie die prächtige Landschaft betrachtete, durch die der Wagen ruhig dahinrollte.«Ich will Leben, Leben… Überall ist Leben!»
    «Mama, lass mich aussteigen und ein bisschen herumlaufen», bat Aljoscha beglückt.
    «Gleich, gleich sind wir da.»
    Und tatsächlich brachte der Kutscher, der bereits mit seinem Herrn dort gewesen war, den Wagen bald darauf vor dem Sommerhaus zum Stehen. Der Wächter zeigte Sascha das Gebäude und trug dessen Annehmlichkeiten vor.
    Das Sommerhaus stand auf einer Anhöhe, unten floss ein kleiner Fluss, an dessen Verlauf eine Badestelle angelegt war, und auch zwei Badehäuser waren bereits aufgestellt.
    «Und was ist dies für ein Häuschen?»
    «Ach, nichts Besonderes, ein kleines Sommerhaus, das ein alleinstehender Herr angemietet hat.»
    «Aber – wie unangenehm, dass man hier Nachbarn hat! Gibt es denn kein anderes Haus in der Nähe?»
    «Nein, gibt es nicht. Eine Werst entfernt, in Richtung der Chaussee, gibt es noch andere Häuser, hier ist nur dieses. Aber so seien Sie doch nicht beunruhigt, Sie haben hier einen eingezäunten Garten, das andere Haus ebenso, und dazu liegt es hinter den Bäumen, da wird doch so gut wie nichts zu sehen und zu hören sein. Und der Herr ist uns bekannt, er ist sehr ruhig.»
    Aljoscha rannte Maikäfern hinterher, pflückte voller Eifer die schon erblühten Feldblumen, trank Tee im Garten. Er war begeistert und wollte gar nicht mehr nach Moskau zurück. Doch es wurde bereits kühl. Das Sommerhaus gefiel Sascha, sie bezahlte einen ersten Pachtzins und machte sich auf den Heimweg.
    Es war ein wunderbarer Maiabend: Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne beschienen den Himmel, es war still, und die Luft war frisch. Erst als das Lärmen der Droschken auf den Straßen Moskaus wieder Saschas Ohr zu peinigen begann, fiel sie in die einstige schwermütige Stimmung. Als sie sich ihrem Zuhause näherten, erblickte sie über dem Garten, durch die grünen Zweige der Bäume hindurch, einen klaren, grünlich schimmernden Stern, dessen geheimnisvolles Licht prächtig strahlte.«Das ist die Venus! Venus – Stern der Liebe! Du Schönheit, was verheißt mir dein grünes Licht der Hoffnung?», dachte Sascha schwärmerisch. Sie konnte sich vom Anblick des Sterns nicht losreißen und verspürte plötzlich den Wunsch nach einem anderen Leben.
    Aljoscha war eingeschlafen; er hatte Farbe bekommen und war von der frischen Luft wie berauscht, man trug ihn aus dem Wagen und brachte den Schlafenden zu Bett.
    Am nächsten Tag wurde eilig gepackt, und schon am übernächsten reiste Sascha besseren Mutes als zuvor zum Sommerhaus ab.

VII
     
    «Hier habe ich Salat gepflanzt, einen ganz besonderen Romanasalat», sagte Pjotr Afanassjewitsch, der mit aufgekrempelten Hemdsärmeln und Schürze in der frisch aufgeworfenen Erde grub. Er war in seinem Element und vollkommen glücklich, da er sich mit seinen Beeten beschäftigen konnte.
    «Und hier Radieschen – achtzehn verschiedene Sorten.»
    «Ja, wer soll denn das alles essen, solche Mengen? », fragte Sascha, die im weißen Kleid auf dem Balkon saß und zwischen die Seiten eines großen roten Buches Frühlingsblumen zum Trocknen legte.
    Einfältig lachend gab Pjotr Afanassjewitsch eine alte Volksweisheit zum Besten:«Gibt es einen Garten, so findet sich auch ein Mund.»
    Sascha war unangenehm berührt und lächelte abschätzig.«Lieber solltest du Blumen pflanzen, das alles kann man doch für einen Groschen 12 kaufen.»
    «Ich habe ein ganzes Blumenmeer angelegt! Das werden wir jetzt gießen.»
    «Ja, ich komme mit», rief Aljoscha, in einer Hand seine kleine Gießkanne, in der anderen ein Stück Brot.
    «Komm, lass uns Mamas Blumen gießen», sagte Pjotr Afanassjewitsch leutselig.
    «Was wird denn da herbeigefahren?», fragte Sascha und zeigte auf einen herannahenden Wagen.
    «Der Mieter des kleinen gelben Hauses zieht ein», antwortete die
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