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Liebling verzweifelt gesucht

Liebling verzweifelt gesucht

Titel: Liebling verzweifelt gesucht
Autoren: Bettina Eveline u Lemke Kosenbach
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auf und der Transportbehälter wurde sanft abgestellt. Vor dem Metallgitter des Korbs erschien das vertraute Gesicht von Frau R., der Besitzerin von Sissi. Freundlich lächelte sie zu dem Kätzchen hinein und sagte mit sanfter Stimme: »Das Schlimmste hast du überstanden, meine Süße. Das alles hier ist sicher ziemlich aufregend für dich, nicht wahr? Aber jetzt sind wir schon am Gleis und gleich kommt unser Zug, dann haben wir Ruhe. Wir fahren für eine Weile zu ganz lieben Freunden von mir. Du wirst sehen, wenn wir erst einmal dort sind, hast du die Strapazen der Reise schnell vergessen.«
    Sissi entspannte sich etwas. Es tat ihr gut, ihr Frauchen zu sehen und die beruhigende Stimme zu hören. Außerdem war sie froh, dass das unangenehme Schaukeln aufgehört hatte. Doch gerade, als sie sich in ihrem Körbchen hinlegen wollte, ertönte wieder eine schrille Lautsprecheransage, dieses Mal direkt am Gleis: »Meine Damen und Herren, auf Gleis 25 fährt ein, der Regional-Express 4064 nach Passau, Abfahrt 9.24 Uhr. Bitte Vorsicht bei der Einfahrt!« Gleichzeitig näherte sich derangekündigte Zug und fuhr kurz darauf mit unerträglich laut quietschenden Bremsen ein.
    Nun überschlugen sich die Ereignisse: Im dichten Gedränge der wartenden Fahrgäste stieß ein Reisender, ohne es selbst zu bemerken, mit seinem Koffer heftig gegen den Katzenkorb. Dieser kippte um und der Verschluss des Metallgitters löste sich, sodass es aufsprang. Frau R. hielt sich wegen der quietschenden Bremsen die Ohren zu und konzentrierte sich auf den einfahrenden Zug. Sie versuchte, die Wagennummern zu erkennen, da sie einen Platz reserviert hatte. So bekam sie nicht mit, was gerade direkt neben ihr mit dem Korb passierte.
    Sissi war durch das Tohuwabohu um sie herum in blanker Panik. Durch den starken Schlag gegen ihren Korb wurde sie nach vorne geschleudert und purzelte kopfüber durch die Öffnung hinaus. Sie blickte nicht nach links oder rechts, sondern schoss, so schnell sie konnte, im Zickzack durch die Beine der Passanten hindurch auf das gegenüberliegende leere Gleis zu und sprang mit einem großen Satz von der Bahnsteigkante hinunter.
    Mittlerweile war der Zug zum Stehen gekommen und die Reisenden am Bahnsteig drängten sich an den Türen. »So, Sissi«, sagte Frau R., während sie sich dem Katzenkorb zuwandte, »jetzt können wir einsteigen.« Als sie den umgestürzten, leeren Korb sah, stieß sie vor Schreck einen Schrei aus. Ein paar Fahrgäste in ihrer Nähe drehten sich nach ihr um. »Was ist denn hier passiert?«, stammelte Frau R. »Sissi, Sissi, wo bist du?« Sie blickte sich suchend nach dem Kätzchen um. Doch eswar nirgendwo auf dem Bahnsteig zu sehen. Hilfesuchend sah sie die umstehenden Reisenden an. »Meine Katze ist weg. Gerade eben war sie noch in ihrem Körbchen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Der Korb ist umgefallen, dabei muss die Tür aufgegangen sein. Haben Sie vielleicht gesehen, wo meine Sissi hingelaufen ist?«, fragte sie. Doch die Fahrgäste schüttelten den Kopf. Keiner hatte etwas bemerkt.
    Hektisch begann Frau R. am Zug entlangzulaufen. Immer wieder rief sie dabei Sissis Namen. Die meisten Leute waren mittlerweile eingestiegen. So konnte sie den gesamten Bahnsteig überblicken. Doch ihre Katze war nirgendwo zu sehen. Frau R. blieb mit dem Korb in der Hand verzweifelt stehen. Da sprach ein älterer Herr sie an: »Suchen Sie vielleicht eine Katze?«
    »Ja, das tue ich. Die Tür des Korbs ist aufgegangen und da ist sie entwischt. Haben Sie sie etwa gesehen?«
    »Als der Zug einfuhr, habe ich gesehen, wie eine Katze auf das gegenüberliegende Gleis gesprungen ist«, antwortete der Mann.
    »Wirklich? Könnten Sie mir bitte zeigen, wo das genau war?«, bat ihn Frau R.
    »Aber sicher. Sehen Sie den Papierkorb dort hinten? Genau da ist sie hinuntergesprungen. Ich würde Ihnen gerne suchen helfen, aber ich muss dringend los, sonst verpasse ich meinen Anschlusszug. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    »Vielen Dank«, sagte Frau R. und lief zu der Stelle, auf die der Mann gedeutet hatte. »Bitte, bitte, lass meine Sissi da sein«, flüsterte sie. Bei dem Papierkorb angekommen, sah sie zum Gleis hinunter. Aber dort warennur ein paar leere Getränkedosen und anderer Unrat. Von Sissi keine Spur.
    Die Reise war für diesen Moment gestrichen. Für Frau R. zählte jetzt nur eins. Sie wollte ihre Sissi wiederfinden. Sie ging den gesamten Bahnsteig noch einmal ab und starrte dabei konzentriert zum Gleis hinunter.
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