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Liebhaberstück Xenia (German Edition)

Liebhaberstück Xenia (German Edition)

Titel: Liebhaberstück Xenia (German Edition)
Autoren: Noreen Aidan
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ist aber echt schade!“ Seine Stimme hatte nun einen anderen Tonfall angenommen, sanfter und zugleich weitaus beunruhigender. Auch seine Augen waren anders. Sie zei gten nicht mehr das rechthaberische Starren eines aufgebrachten Vorgesetzten, sondern die triumphierende Lässigkeit eines Mannes, der eine Frau zwischen seinen Armen eingeschlossen hatte.
    Die Tür wurde aufgerissen, und wir schreckten be ide zusammen. Mit einem Fluch drehte sich der Doktor um und grollte: „ Verdammt , Rüdiger! Kannst du nicht anklopfen?“
    Ein drahtiger Mann in grüner OP -Kleidung tauchte in meinem verschwommenen Blickfeld auf. „Sorry, aber ich habe geklopft. Aber du warst wohl…“, er grinste mit sichtlicher Belustigung, „…zu beschäftigt, um es mitzukriegen. Wir haben einen Autounfall in der Notaufnahme, Schädelhirntrauma, subdurales Hämatom. Ich denke, wir müssen es eröffnen. Aber ich will das nicht allein entscheiden.“
    Ich nutzte die Gunst der Stunde, um mich an beiden vo rbeizudrängen. An der Tür drehte ich mich um mit einem, wie ich hoffte, vernichtenden Blick. „Übrigens, Herr Doktor, Mutter und Kind geht es gut. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass das am Rande auch eine Rolle spielt.“
    Und weg war ich.

    Es war immer dasselbe nach einer aufreibenden G eburt.
    Ich fiel schwach vor Erschöpfung ins Bett, war dann aber zu aufgedreht , um einzuschlafen. Wobei die Geburt heute nicht besonders aufwühlend gewesen war, mehr das Drumherum. Wo ich so darüber nachdachte, kam der Ärger wieder hoch. Zu allem Überfluss auch der Ärger über mich selbst.
    Wie hatte er mich nur so in die Enge treiben können? Mit diesen hellbraunen Augen, in denen diese mutwilligen Funken tanzten.
    Na toll , jetzt war ich hellwach!
    Unruhig wälzte ich mich auf die andere Seite. Dabei brauchte ich dringend meinen Schlaf! Nach weiteren wachen zwanzig Minuten gab ich es auf und ächzte mich aus dem Bett. Gerädert machte ich mir Kaffee. Auch die anschließende Dusche brachte nicht die erhoffte Erfrischung. Ich drehte meine schulterlangen, braunen Haare auf Lockenwickler.
    Aus einer Laune heraus holte ich das Buch meiner Gro ßmutter und setzte mich damit zu einer zweiten Tasse Kaffee an den Küchentisch. Ehrfürchtig schlug ich den vergilbten Leineneinband auf und blätterte in den handgeschriebenen Seiten, wo Großmutter alles eingetragen hatte, was sie als Hebamme an Kenntnissen gesammelt hatte. Eigene Erfahrungen genauso wie überliefertes Wissen, altes Wissen, das sie von ihrer Mutter hatte und ihrer Urgroßmutter und all den Generationen von Hebammen davor.
    Einer Linie von weis en Frauen, die bis in Zeiten vor den schriftlichen Aufzeichnungen von Hochzeiten und Geburten zurückreichte. Wenn ich Großmutter glauben durfte bis zu den Zeiten der alten Religion, als das Göttliche noch in Form der Muttergöttin und ihres Geliebten verehrt worden war, einer Religion, die Großmutter bis zu ihrem Tod praktiziert hatte.
    Mein Vater war ihr einziges Kind und hatte mit ihren Lehren überhaupt nichts am Hut. Umso begeisterter war Großmutter gewesen, dass ich Interesse gezeigt und fasziniert an ihren Lippen gehangen hatte, als sie mir statt des Märchens vom Schneewittchen die Geschichte von unserer Urahnin Hedwig erzählt hatte, die als Hexe verbrannt worden war. Oder von deren Großtante Rottraut, wie sie einem lebenden Kind mit zwei Köpfen auf die Welt geholfen hatte.
    Vieles davon stand in dem Buch, das vor mir lag , in dieser alten deutschen Schrift, die ich ebenfalls von Großmutter gelernt hatte. Mit Tränen der Rührung hatte sie mir das Buch zur bestandenen Hebammenprüfung geschenkt.
    „Der Stand der Hebamme war geachtet unter den We isen“, las ich da. „Sie war Kräuterkundige und Geburtshelferin, Heilende und Priesterin. Erst viel später gab es den Stand des Arztes, der die Hebamme mit Hilfe des Pfaffen entmachtete und fortan als seine Dienstmagd hielt.“
    Oh G roßmutter, wie Recht du doch hattest!
    Genau wie eine Dienstmagd hatten sie mich heute beha ndelt, die Herren Doktoren. Aber ich hatte meinen Willen durchgesetzt.
    Oh ja, das hatte ich.

    A m Nachmittag herrschte fröhliches Treiben auf den Gängen der Neugeborenenstation. Wie bunte Schmetterlinge flatterten die Besucher mit ihren Blumensträußen, Pralinenschachteln und Plüschbären durch die grauen Flure.
    Ich kam unbehelligt von irgendwelchen Ärzten zu dem Zimmer, in dem Schwester Margot Doris untergebracht hatte. Eine Schwesternschülerin gab mir
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