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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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Kleider auf dem Schlafzimmerfußboden. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mich hier vor ihm auszuziehen?

    »Cheryl?«
    »Ja?« Ihre Stimme klang belegt und verschlafen.
    »Entschuldigung. Habe ich Sie geweckt?«
    »Nein. Wer ist da?«
    »Georgina Powers.« Keine Antwort. »Hallo?«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hören Sie, ich wollte nur anrufen, um Ihnen zu sagen, daß Sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchen. Ich bin nicht hinter einer Story her. Gehen Sie zur Polizei. Ich sage Ihnen jemanden. Mit dem können Sie reden. Sagen Sie ihm, was Sie wissen.«
    »Worüber?«
    »Über Tommy. Über Johnny Waits. Über Carla. Erzählen Sie ihm, was Sie wissen.«
    Ihre Stimme stockte, als sie antwortete. »Ich kann es niemandem erzählen. Ich weiß nichts.«
    »Sie wissen etwas über John St. John.«
    Sie lachte leise — ein albernes, unverbindliches, amüsiertes Hüsteln. »Dexter. St. John. Miezekatzen. Sie wissen ja nicht, wie er ist.«
    »Nein. Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Nein, vermutlich nicht. Noch nicht«, sagte sie. Ihre Stimme fing an zu schwinden. »Er benutzt die Leute. Er hat mich und Tommy benutzt. Jetzt ist Tommy tot. Carla ist tot... und ich bin tot. Er läßt nur die am Leben, die er leiden sehen will.« Wieder fing sie an zu lachen, wieder über irgendeinen Witz, den ich nicht kannte. Ich begriff nichts. Keith rief eine Viertelstunde später an, als ich im Bad war.
    »Ich wollte nachher sehen, ob ich dich im Clam treffe. Donnerstags abends ist es doch das Clam, oder?« sagte ich.
    »Ich bin später da. Hör mal, Ich habe dir deine Dexter-Story so gut wie verziehen... Cheryl LeMat trifft sich noch mal mit mir. Sie sagt, die Polizei kann nichts machen. Dexter ist auf freiem Fuß. Der Report reicht einfach nicht.«
    »Aber gut fürs Geschäft ist er auch nicht.«
    »Fürs Geschäft ist er schrecklich, Schätzchen. Das verfliegt nicht, und dieser gespenstische Computerkram macht allen Leuten Gänsehaut. Wie ich höre, sind ein paar Künstler dabei, aufmerksam ihre Verträge zu studieren. Sie wollen wissen, wie es für sie steht.«
    »Verständlich.«
    »Mike Dome hab ich auch angerufen. Die Dudes bleiben bei ihm. Er schätzt, es dauert nicht mehr lange, und die Ghea verliert ihre Künstler auf breiter Front. Dexter ist ruiniert. Von der Börsenplazierung, die er sich für nächstes Jahr vorgenommen hatte, kann er sich jedenfalls verabschieden.«
    »Du bist so gut informiert, Keith, mein Lieber.«
    »Na ja, das muß ich ja sein, oder? Das ist mein Job. Er hätte mindestens dreihundert Millionen machen können.« Keith lachte.
    »Geschieht es ihm recht?« fragte ich.
    »Darauf kannst du wetten.«
    Ich war nicht so sicher, aber das sagte ich ihm nicht. »Hör mal, wir treffen uns später.«
    »Sag mir nicht, du hast nichts an.«
    »Okay, ich sag’s dir nicht.« Ich legte auf.

    Das Clam ist eine unelegante Hölle mit einem Publikum, das zu lateinamerikanischem Sound und zu Blues und Soul der frühen Sechziger swingen möchte. Mit einem schwarzen Polopulli, Skihose und Chromkette würde man sich etwas warm, aber nicht deplaziert fühlen; die Männer kleiden sich wie Ronnie Kray, die Frauen sehen aus wie Audrey Hepburn auf Speed. Es ist gemütlich und dunkel wie auf einer Party bei jemandem zu Hause. Man streift durch das Halbdunkel und rechnet fast damit, auf vier Leute zu stoßen, die sich auf einem LP-Cover einen Joint drehen, oder in ein Schlafzimmer voller Plastiktüten, Dufflecoats und kopulierender Paare zu stolpern. Das Ambiente, wie man so sagt, ist cool (wie in Cat) und intim (wie in Kontakt). An den Wänden stehen Tische, in dunklen Nischen kann man sich küssen, rauchen und plaudern, und in einem hellen Lichtkreis kann man die ganze Nacht tanzen. Früher kam ich mit Carla hierher. Dann trugen wir rückenfreie schwarze Kleider, die oberhalb des Knies endeten, lange Handschuhe und spitze Schuhe. Hier bot Carla mir Ecstasy an. Hier kriegte man das Zeug, und hier kriegte man auch Speed und Koks und Heroin, und Jungen wie Mädchen vermutlich. Aber was wußte ich schon? Ich kriegte mein Gift vom Barkeeper. Als ich jetzt gegen halb zwölf hereinkam, wurde es allmählich voll. Eine Dreiviertelstunde später kam Keith heran und strich mir mit der Fingerspitze an der Wirbelsäule entlang.
    »Hallo«, sagte ich und drehte mich um.
    »Na, hallo Goldstück«, sagte er und kniff mir in den Hintern.
    »Wo ist sie?«
    »Sie müßte bald hier sein. Hoffentlich drückt sie nicht irgendwo, denn dann
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