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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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meinen Mann mit meiner besten Freundin erwischte. Das zieht einem den Boden unter den Füßen weg, wenn man feststellt, daß die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Er fing an zu lachen: wieder Tommys Lachen, ein echtes. Kein grausames Schnaufen, kein zynisches Grinsen — ein echtes Lachen. Bald lachte er so heftig, daß er sich an den Türrahmen lehnen mußte, aber er antwortete mir immer noch nicht. Ich schleuderte die Strumpfhose weg und stand auf. »Hübsche Beine«, sagte er, immer noch lachend, aber jetzt hustete er auch ein bißchen, »für eine Lesbe.«
    Ich zog meinen Pullover aus dem Rockbund. »Ich bin keine Lesbe. Sie war eine, und weil ich ihre Freundin war, na ja... Sie wissen ja... man wird eben in einen Topf geworfen.« Ich zog mir den Pullover über den Kopf, drehte mich zu ihm um, die Hände in die Hüften gestemmt und bekleidet nur mit einem cremefarbenen Spitzen-BH, einem Mini aus schwarzem Stretch und einem trotzigen Blick. »Ich bin keine Lesbe«, sagte ich. Er antwortete immer noch nicht. Er schaute mich nur an. »Sie glauben mir nicht?«
    Jetzt lachte er nicht mehr, denn ich marschierte schnurstracks auf ihn zu und preßte ihm meine Lippen auf den Mund. Kaum hatte ich es getan, wußte ich, daß ich zu weit gegangen war. Ich klappte die Augen auf und erwartete, seine auch offen zu sehen, rechnete mit Bestrafung. Aber sie waren fest geschlossen, und er stieß mich nicht weg, sondern zog mich an sich. Alles ging so schnell, seine Hände, meine Hände. Ich schob ihm das Jackett von den Schultern, er zog an meinem Rock, und unsere Lippen verschmolzen wie heißer, flüssiger Toffee. Dann hörte es auf. Seine Hände strichen die Träger meines BH glatt, und er trat einen Schritt zurück. Er hielt mich mit steif ausgestreckten Armen von sich, und mein Verstand flog von einem warmen, weichen Ort zurück in das matt erleuchtete Schlafzimmer.
    »Ich muß gehen. Ich komme zu spät«, sagte er.
    »Wozu?«
    »Hören Sie... Sie brauchen nichts zu beweisen. Sie sind okay. Ich habe heute abend etwas zu erledigen.«
    Eiskalte Wut vertrieb die Hitze aus meiner Haut und den Scotch aus meinem Hirn. Meine Hände taten weh, und ich fühlte mich betrogen. »Ich weiß, daß ich nichts zu beweisen brauche«, sagte ich. »Und Sie?« Keine Antwort. Ich trat zurück und verschränkte die Arme. »Okay. Gehen Sie, Ihr Taxi wartet.«
    »Hören Sie, Georgina...«
    »Raus!«
    Er rückte Jackett und Krawatte gerade und ging. Ich lauschte auf seine Schritte im Treppenhaus und spürte die Stille in meinem Zimmer. Dann ging ich in die Küche, machte mir ein Sandwich und schenkte mir einen Drink ein. Am besten, ich blieb beim Scotch. O Gott, was für ein Desaster. Und wenn er nun recht hatte? Wenn es mir wirklich darum ging? Wenn ich mit ihm schlafen wollte, um mir zu beweisen, was ich war? Ich kam mir vor wie eine Fünfzehnjährige: amateurhaft, staksig, unbestimmt.
    Es gab eine Zeit, da wollte ich am liebsten ein Junge sein. Na ja, wenn schon kein Junge, dann doch kein Mädchen, wie die Jungen es erwarteten, eins, das überhaupt nichts konnte: keinen Wurm auf den Angelhaken spießen, keine Kastanie aufknacken. Das hatte nichts mit Sexualität zu tun, sondern mit Identität und damit, daß man sich selbst gefällt. Aber das änderte sich alles, als meine Brüste zu wachsen anfingen. Selbst wenn sie klein sind, sind die Dinger so offensichtlich. Weiblichkeit kroch an mir herauf, von innen und von außen. Ich reifte für irgend etwas heran, aber nichts in der realen Welt konnte mir überzeugend klarmachen, für was. Jungen waren so widerlich und zurückgeblieben und idiotisch. Jede, die ich kannte, schien mindestens einen ausgegraben zu haben, dessen Name sie in ein Herz auf den Innendeckel ihres Ringblocks malte. Er war ein ernstes Problem in meinem Verhältnis zu meinen Altersgenossinnen, daß ich mich für keinen der Jungen in der sechsten College-Klasse interessieren konnte. Und schlimmer noch, daß sie sich auch nicht für mich interessierten. Ich war so isoliert. Es war weniger, daß ich nicht in der Lage war, am geschäftigen Spiel der Darwinschen Selektion teilzunehmen, sondern vielmehr, daß ich nicht den Drang dazu verspürte. Das war das Besorgniserregende: daß ich nicht den Drang dazu verspürte. Auf Carla standen sie natürlich alle. Sie hatte es leicht. Carla ging reihenweise mit ihnen aus. Carla Blue. Womit hatte ich das nur verdient? Ich zog mich ganz aus und betrachtete meine
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