Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
Mund, die stolze Kopfhaltung.
    «Warum sind Sie es nicht geworden?» fragte das Kind.
    «Weil meine Mutter es nicht wollte. Ich sollte Lehrerin werden.»
    Julia dachte einen Augenblick nach, und plötzlich huschte ein liebliches Lächeln über das kleine Gesicht.
    Aber tanzen wollte sie nicht.
     

5
     
    Gaylord sah zu, wie Amanda gestillt wurde - eine Prozedur, die ihn immer wieder aufs neue faszinierte.
    Nachdenklich sagte er: «Wenn wir Zwillinge hätten, könntest du an jeder Seite einem zu trinken geben, nicht?»
    «Ja, das könnte ich, mein Herz.»
    «Hast du deshalb eines auf jeder Seite?»
    «Ja, das nehme ich an.»
    Gaylord war tief beeindruckt. «Der liebe Gott ist doch wirklich klug, Mummi.»
    «Warum meinst du?»
    «Naja-» Ihm fiel ein Satz ein, den Opa über den neuen Verwalter gesagt hatte. «Er hat sich alles so gut überlegt.» Für Drillinge allerdings, das fiel ihm jetzt ein, hatte er anscheinend nicht vorgesorgt. Doch bevor er sich danach erkundigen konnte, flog die Tür auf und Opa kam hereingestürmt, einen Brief in der Hand. «May, ich wollte -. Oh, entschuldige, ich wußte nicht, daß Amanda gerade beim Auftanken ist.»
    «Schon gut, Schwiegervater», sagte May lachend. «Was ist denn passiert?»
    «Es geht um meine Schwester. Um Dorothea. Sie hat den Verstand verloren!»
    Das war eine aufregende Nachricht für Gaylord. Für ihn waren seine beiden Großtanten Bea und Dorothea nicht gerade gelungene Exemplare der Schöpfung. Sicher hatten auch sie ihre guten Seiten, aber vor allem hatten sie eine ganz gräßliche und furchtbar störende Eigenschaft: Sie wollten ihn immerfort küssen. Sie kamen nicht oft zu Besuch, aber wenn sie kamen, hatte er nicht einen Augenblick Ruhe. Sie waren hinter ihm her wie zwei Bären hinter dem Honig.
    Jetzt war er völlig verwirrt. Großtante Dorothea hatte den Verstand verloren? Wo? Und wie? Zu fragen hatte keinen Zweck. Die Erwachsenen sagten ihm ja doch nie etwas. Da wartete er lieber ab. Zum Glück kam ihm Mummi zu Hilfe. «Was hat sie denn getan, Schwiegervater?»
    «Es geht nicht um das, was sie getan hat, verdammt! Es geht um das, was sie tun will.» Er schüttelte traurig den Kopf. «Das arme Ding. Sie muß glatt den Kopf verloren haben!»
    «Aber was ist denn, Schwiegervater?»
    Mit tragischem Gesicht und düsterer Stimme verkündete er: «Sie will einen Frosch heiraten.»
    «Ach, du liebe Güte!» sagte May und tat ihr möglichstes, um ernst zu bleiben.
    «Ist das alles, was du zu sagen hast?» Der alte Mann hatte offenbar blankes Entsetzen erwartet.
    Sie durfte ihn nicht auslachen, das ging wirklich nicht. Also sagte May reuevoll: «Entschuldige, Schwiegervater, ich hab’s nicht so gemeint. Erzähl mir doch ein bißchen ausführlicher.»
    Er war besänftigt, und mit ruhiger Stimme sagte er: «Nicht nur, daß er ein Frosch ist. Sie hat ihn auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer kennengelernt.» Er machte eine Pause, um die Mitteilung wirken zu lassen. «Bestimmt so ein Kerl, der von so was lebt.»
    «Der von was lebt?»
    «Von reichen älteren Damen. So einer, der sich auf Schiffen an sie heranmacht, um ihr Geld in die Hände zu kriegen.»
    «Ich kann mir nicht vorstellen, daß du dafür viele Beweise hast?»
    « Beweise? Der Name ist Beweis genug.» Er warf einen Blick auf den Brief. «Edouard Saint-Michel Bouverie. Kannst du dir einen Mann auf einer Kreuzfahrt vorstellen, der so heißt und kein Gauner ist?»
    «Möglich wär’s», sagte May.
    Opa war sichtlich enttäuscht. Grollend sagte er: «Dorothea und Bea wollen Anfang Dezember für ein paar Tage mit ihm herkommen. Das ist dir doch recht?»
    «Natürlich», sagte May, die sich eigentlich auf eine ruhige Adventszeit vor dem alljährlichen Weihnachtstrubel gefreut hatte. Im übrigen jedoch stellte sie sich Edouard Saint-Michel Bouverie nicht als Gauner, sondern eher als Aristokraten der alten Schule vor, der seinen Teller umdrehte und sich weigerte, sich servieren zu lassen, wenn ihm irgend etwas - von der Sitzordnung bis zur Temperatur der Weine - mißfiel.
    «Bravo so», sagte Opa. Das gefiel ihm immer wieder an May: Sie machte niemals Schwierigkeiten, sagte niemals «Hab zuviel zu tun» oder «Nein, das kann ich nicht». Großzügig fügte er hinzu: «Und mach bloß keine Umstände mit dem Essen, May. Wenn dem Kerl das schlichte nahrhafte Essen, das du uns kochst, nicht paßt, braucht er gar nichts zu essen.»
    «Ist recht, Schwiegervater.» May verwendete im allgemeinen viel Zeit und Mühe aufs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher