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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind
Autoren: Jean Webster
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jetzt bin ich endlich sicher. Niemand hat dem Junggesellentum dankbarer entgegengesehen als ich.
    Unser Feuer war — wie ich jetzt glaube — von der Vorsehung geschickt. Der Himmel hat es gesandt, um den Weg für ein neues John-Grier zu bereiten. Wir sind tief in Plänen für Einzelhäuser. Ich ziehe graue Stukkatur vor, Betsy ist für Backstein, und Percy für halb Stein, halb Holz. Ich weiß nicht, was unser armer Doktor vorziehen würde, sein Geschmack scheint olivgrün mit Mansardendach zu sein.
    Wenn sie zehn verschiedene Küchen zum Üben haben, werden da unsere Kinder nicht kochen lernen! Ich sehe mich schon nach zehn liebevollen Hausmüttern um, die ich einsetzen kann; d. h. ich werde, glaub ich, nach elf suchen, um auch noch eine für Sandy zu haben. Er hat ein wenig Bemutterung genau so rührend nötig wie irgendeines meiner Kücken. Es muß recht niederschmetternd sein, jeden Abend zu den Dienstleistungen von Mrs. McGurk zurückzukehren.
    Wie ich diese Frau hasse! Sie hat mir mit selbstzufriedener Festigkeit an vier verschiedenen Malen erklärt, dat de Doktor slöpt un keen een to em komen kann.
    Ich habe ihn noch nicht erblickt, und ich bin am Ende meiner Höflichkeit. Doch halte ich das Urteil bis morgen um vier Uhr zurück, alswann ich einen kurzen, unaufregenden Besuch von einer halben Stunde machen soll. Er hat die Verabredung selbst getroffen, und wenn sie mir wieder sagt, daß er schläft, werde ich ihr einen zarten Puff geben und sie umwerfen (sie ist sehr dick und wenig standfest), einen Fuß fest auf ihren Bauch setzen, und gelassen meinen Weg hinein und hinauf fortsetzen. Luellen, bisher Chauffeur, Dienstmädchen und Gärtner, ist nun auch Krankenschwester. Ich brenne darauf, ihn in weißer Schürze und Häubchen zu sehen.
    Die Post hat gerade einen Brief von Mrs. Bretland gebracht, der berichtet, wie glücklich sie über die Kinder sind. Sie hat ihre erste Photographie eingelegt, — alle in einem Ponywagen, Clifford stolz mit den Zügeln in der Hand, und ein Diener am Kopf des Ponys. Wie ist das für drei bisherige Insassen des John-Grier-Heims? Es ist alles sehr erhebend, wenn ich an ihre Zukunft denke, aber ein wenig traurig, wenn ich mich an ihren armen Vater erinnere, und wie er sich für die drei Kinder, die ihn vergessen werden, zu Tode gearbeitet hat . Die Bret-lands werden Ihr Mögliches tun, um das zu erreichen. Sie sind auf alle äußeren Einflüsse eifersüchtig und wollen die Kleinen ganz zu den ihren machen. Ich muß sagen, ich finde den natürlichen Weg doch den besten: daß jede Familie ihre eigenen Kinder hervorbringt und behält.

    Freitag.
    Ich habe heute den Doktor gesehen. Sein Anblick ist rührend. Er besteht größtenteils aus Verbandszeug. Irgendwie haben wir unsere Mißverständnisse alle aufgeklärt. Ist es nicht schrecklich, daß zwei menschliche Wesen, beide mit einer ordentlichen Fähigkeit zum Reden, es fertigbringen, sich nichts über ihre seelischen Vorgänge mitzuteilen? Ich habe seine geistige Einstellung von Anfang an nicht begriffen, und er begreift meine immer noch nicht. Diese grimmige Zurückhaltung, um die wir nordischen Menschen uns so bemühen! Ich glaube, daß trotz allem die erregbare Art südlicher Sicherheitsventile am besten ist.
    Aber Judy, etwas ganz Schlimmes, — erinnerst Du Dich, daß er letztes Jahr die psychopathische Anstalt besucht hat und zehn Tage fortgeblieben ist, und ich darüber so ein dummes Getue gemacht habe? Ach, meine Liebe, was für unmögliche Sachen ich anstelle! Er war beim Begräbnis seiner Frau. Sie ist in der Anstalt gestorben. Mrs. McGurk hat es die ganze Zeit gewußt und hätte es vollends mitteilen können, aber sie hat es nicht getan.
    Er hat mir sehr gütig alles über sie erzählt. Der arme Mann hat jahrelang in einer schrecklichen Anspannung gelebt, und ich nehme an, ihr Tod ist eine himmlische Erleichterung. Er gibt zu, daß er zur Zeit, als sie heirateten, wußte, daß er sie nicht heiraten sollte; er kannte ihre ganze nervöse Labilität; aber er" glaubte, weil er ein Doktor ist, könne er das überwinden. Und sie war wunderschön! Er hat ihretwegen seine Stadtpraxis aufgegeben und ist aufs Land gezogen. Und dann ist sie nach der Geburt des Mädelchens ganz auseinandergegangen, und er „mußte sie wegstecken“, um Mrs. McGurk’s Ausdruck zu gebrauchen. Das Kind ist jetzt sechs, ein süßes, wunderschönes kleines Ding, aber, nach dem, was er sagt, offenbar ganz anomal. Er hat dauernd eine ausgebildete
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