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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan
Autoren: Siobhan Curham
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etwas passiert. Wenigstens wissen wir jetzt, dass er für lange Zeit im Gefängnis sitzen wird und dass ihr euch ohne ihn ein neues gemeinsames Leben aufbauen könnt. Lass mich wissen, wenn du irgendetwas brauchst.
    Alles Liebe,
    Nan xxx

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Tolle Neuigkeiten!!
    Datum: Sonntag, 27. August, 13:11

    Hi Nan,
    so, der Schock fängt endlich an, ein bisschen nachzulassen. Die Polizei nimmt an, dass der Ton-Zerstörer mindestens sechs Jahre lang im Gefängnis sitzen muss. Als ich das hörte, war mir zuerst ein bisschen übel. Warum können sie ihn denn nicht für immer einsperren? Aber dann wurde mir klar, dass ich in sechs Jahren zwanzig bin! Ich werde erwachsen sein. Und Mum hat gesagt, sechs Jahre sind Zeit genug, um uns ein neues Leben aufzubauen. Sie scheint von Tag zu Tag stärker und fröhlicher und wieder mehr so wie früher zu werden. Und rate mal, was noch? Sie hat gesagt, wir können für einen Tag hinunter nach Brighton fahren. Und sie hat gesagt, sie ist einverstanden, dass wir uns mit dir treffen.
    Wir hatten gerade ein echt schönes Gespräch miteinander, und sie hat mir erzählt, dass sie am Anfang, als sie herausfand, dass wiruns Mails schicken, richtig eifersüchtig war! Kannst du dir das vorstellen? Meine Mutter ist eifersüchtig, weil ich jemandem Mails schreibe! Aber sie hat gesagt, sie versteht, warum ich es gemacht habe, und es tut ihr wirklich leid, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte nicht zu ihr kommen. Sie hat mir erzählt, dass sie sich nur betrunken hat, um den Schmerz zu betäuben, den das Leben mit dem Ton-Zerstörer ihr bereitete, und von nun an wird sie keinen Tropfen mehr anrühren, um mir zu beweisen, dass sie es nicht mehr braucht. Sie hat auch gesagt, dass du dich am Telefon wirklich nett angehört hast, und sie kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen. Und ich kann es auch nicht erwarten, dich wiederzusehen! Ich habe mir gerade noch mal ein paar meiner älteren Mails an dich angesehen, und es ist unglaublich, wie viel sich verändert hat. Am Anfang der Sommerferien habe ich mich so einsam und deprimiert gefühlt. Ich hatte das Gefühl, nirgendwo wirklich dazuzugehören   – nicht in der Schule, nicht in meiner Familie und auch nicht bei meinen Freunden. Aber jetzt habe ich das Gefühl, perfekt in mein Leben zu passen. Ich glaube, ich werde diese Zeit meinen Schmetterling- Sommer nennen. Nicht nur weil tausend Schmetterlinge ihr Lager in meinem Bauch aufgeschlagen hatten, sondern weil es der Sommer war, in dem ich aufgehört habe, eine langweilige alte Raupe zu sein. Ich bin aus meinem Kokon ausgebrochen und habe endlich meine Flügel entdeckt. Ich habe meine Mum von früher wieder, ich habe in einem Stück eine Hauptrolle gespielt, ich habe mich dem Ton-Zerstörer entgegengestellt, ich habe einen Freund, ich habe meine falsche Freundin verloren und mit dir eine echte Freundin gewonnen. Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast. Dafür, dass du mir zugehört hast, als es sonst niemand getan hat. Dafür, dass du mir das Gefühl zurückgegeben hast, etwas Besonderes zu sein. Heute früh auf dem Weg zur Hauptstraße habe ich Jessica und Kate eins gesehen, die in den Park gingen. Zuerst wurde mir übel, und ich wünschte, Jamie wäre bei mir, aber als sie näher kamen, geschah etwas wirklich Merkwürdiges. Ich bekam so ein seltsames, sich entfaltendes Gefühl im Bauch, als würde ich mit jedem Schritt stärker und freier werden. Als ich auf gleicher Höhe mit ihnen war, bliebensie stehen, und Jessica sagte in einem komischen Londoner Gangster-Akzent. »Na, George, stimmt es, dass sie deinen Alten in den Knast gesteckt haben, weil er, na, irgendwie verrückt gespielt hat?« Ich sah sie an, meine bis vor kurzem noch sogenannte beste Freundin, und es kam mir vor, als betrachte ich eine völlig Fremde. Ich war ihr für das, was sie getan hatte, nicht mal böse. Ich hatte nur das Gefühl, sie überhaupt nicht zu kennen. Und dann wollte ich plötzlich unbedingt loslachen, denn auf einmal kam ich mir wie die Erwachsene vor, und sie sah aus wie ein dummes kleines Mädchen.
    »Ich sag dir was, Jessica«, sagte ich und lächelte süßlich. »Warum schaffst du dir nicht einfach mal ein echtes Leben an?« Und dann ging ich weiter, das Sonnenlicht schien in der Farbe von Butterblumen auf den Fußweg vor mir und bildete meinen eigenen Pfad aus gelben Steinen.
    Ich sage dir Bescheid, wenn Mum entschieden hat, wann wir kommen.
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