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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan
Autoren: Siobhan Curham
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mein Gott!!
    Datum: Mittwoch, 23. August, 15:59

    Ich bin so froh, dass ihr alle heil zu Hause seid, Liebling. Ich bin sicher, du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen, also bleib stark. Und genieße den Besuch von Jamie ;). Ich habe die Rolle, für die ich vorgesprochen habe, bekommen   – auch wenn ich ein bisschen gemischte Gefühle dabei habe. Ich spiele eine Hexe namens Wisteria in einer Sendung namens »Geschichten aus dem Hexenkessel«. Oh, ich wünschte, ich könnte einen Zauberspruch über den Ton-Zerstörer sprechen   – ihn in eine Nacktschnecke verwandeln oder so was und dann auf ihn treten! Vielleicht sollte ich in ein Buch über Hexenkünste investieren und es ausprobieren   – natürlich alles nur, um mich in die Figur hineinzuversetzen, du verstehst. Halt mich über alle Ereignisse auf dem Laufenden und vergiss nicht, lass mich bitte wissen, wenn du irgendetwas brauchst oder wenn du denkst, ich sollte mal mit deiner Mutter reden.
    Alles Liebe,
    die böse Hexe des Südens!
    xx

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Entsetzlich
    Datum: Donnerstag, 24. August, 10:47

    Oh mein Gott, Nan, etwas wirklich Entsetzliches ist geschehen. Noch entsetzlicher als all die entsetzlichen Sachen vorher. Nachdem ich dir gestern gemailt hatte, bin ich losgegangen, um Brot und Milch und so was im Supermarkt zu kaufen, und als ich zurück in unsere Straße kam, hörte ich neben mir einen Motor knattern. Das Motorenknattern eines Taxis. Zuerst konnte ich mich einfach nicht dazu durchringen, mich umzudrehen. Er kann es nicht sein, sagte ich mir immer wieder. Er würde es nicht riskieren. Er würde nicht riskieren, ins Gefängnis zu müssen. Aber dann, als das Taxi mich noch immer nicht überholte, fing mein Herz an noch schneller zu schlagen als am Abend der Aufführung von Bugsy Malone. Ich versuchte mir einzureden, es wäre nur ein Taxi für einen der Nachbarn, und der Fahrer fuhr so langsam, weil er nach dem richtigen Haus suchte. Aber dann, als ich anfing, schneller zu gehen, fuhr das Taxi auch schneller, um mit mir Schritt zu halten. »Er ist es, er ist es«, schrie die Stimme in meinem Kopf. Ich fing an zu rennen, aber ich konnte mich nicht dazu bringen, mich umzudrehen und nachzusehen, wer das Taxi fuhr. Ich konzentrierte mich nur darauf, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
    Erst als ich die Grünfläche umrundet hatte und nur noch drei Häuser von zu Hause entfernt war, überholte mich das Taxi, fuhr über den Bürgersteig und kam kreischend in unserer Auffahrt zum Stillstand. Ich blieb abrupt stehen. Was würde er tun? Was sollte ich tun? Ich stand auf dem Bürgersteig, vor der Tür unseres Nachbarn, meine Hände zitterten, und ich starrte das Auto an. Langsam öffnete sich die Tür auf der Fahrerseite, und der Ton-Zerstörer stieg aus. Er trug sein übliches Outfit aus blassblauen Jeans und Fußball-Trikot, und er hatte seine St-George-Baseball-Kappe tief ins Gesicht gezogen. Das helle Sonnenlicht brannte wie ein Scheinwerfer auf mich nieder,als wartete es darauf, dass ich mich bewegte. Ich aber war vor Angst wie erstarrt. Der Ton-Zerstörer schlug die Tür des Taxis hinter sich zu und wandte sich um, um mich anzustarren. Ich fühlte tief in meiner Kehle ein Brennen, als müsste ich mich übergeben, aber ich wusste, ich musste irgendetwas tun, ich konnte nicht einfach nur dastehen, also rannte ich auf die andere Seite der Auffahrt zur Haustür. »Mum, Mum!«, brüllte ich. »Er ist hier. Mach die Tür nicht auf!« Aber es war zu spät, die Tür begann sich zu öffnen, und ich hörte Schritte, die hinter mir die Auffahrt heraufpolterten. »Ich will meine Tochter«, brüllte er mit tiefer, lallender Stimme. Der Gestank nach schalem Bier und Zigarettenrauch wallte mir über die Schulter. »Michaela!«, schrie er. »Gib mir meine Tochter!« Ich sah, wie Mum hinter der Tür hervorlugte, sie wirkte hinter ihrer Maske aus blauvioletten und gelblichen Schwellungen zu Tode erschrocken. »Georgie!«, schrie sie und streckte den Arm aus, als wollte sie mich ins Haus ziehen, aber es war zu spät. Ich spürte, wie mir etwas in den Rücken gestoßen wurde, und fiel zur Seite, über den Steingarten und auf den Rasen. Was als Nächstes passierte, nahm ich nur verschwommen wahr. Ich hörte, wie meine Mutter einen spitzen Schrei ausstieß, und als ich aufblickte, war sie im Garten, hielt etwas in die Höhe und schrie. Ich blinzelte ins Sonnenlicht. Es war der Golfschirm des
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