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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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zögerte.
    „Herr, ohne Versorgung leidet er wie ein Hund, der Regen wird ihn zusätzlich auszehren. Sprich, er wird verrecken. Wenn nicht heute Nacht, dann morgen. Ich sehe keinen Grund für solche Grausamkeit, Feind oder nicht. Wenn er keinem Nutzen zugeführt werden kann, ist es sinnlos, dass er sich zu Tode quälen muss.“
    Abwägend neigte der Kommandant den Kopf. Seltsam, es war nicht seine Art, Menschenleben zu vergeuden. Genauso wenig, wie er jemals zuvor die Beherrschung verloren hatte. Welchen Grund mochte er haben, den Gefangenen zu hassen, den er nicht einmal beim Namen zu kennen schien?
    „Ich will ihn auf jeden Fall befragen“, erwiderte er schließlich.
    „Dann braucht er Hilfe.“
    „Sie haben ihn gerettet. Sind Sie auch bereit, für sein Überleben zu sorgen, Geron?“ Krazons Blick verriet, dass der Kommandant mehr wusste, als er nach außen zeigte, gleichgültig was er behauptet hatte. Vorsichtig nickte Geron, unsicher, ob er sich wirklich darauf einlassen wollte. Doch es stimmte, er hatte sich entschieden, das Leben dieses Mannes zu schützen. Damit war er genauso für alles Weitere verantwortlich.
    Entschlossen stürzte er sich ohne weitere Worte hinaus in den Regen. Noch bevor er den Gefangenen erreicht, war er durchnässt, da half auch die Kapuze des Umhanges nichts, den er sich übergeworfen hatte. Fluchend hockte er sich neben dem jungen Mann nieder, der nun langsam den Kopf hob und ihn ansah. Um genau zu sein, er starrte mit verschleiertem Blick auf das Messer in Gerons Hand, mit dem er die Fesseln durchschneiden wollte. Die Dankbarkeit und Erleichterung verwirrten Geron – sie schienen ihm weit über das hinauszugehen, was man erwarten sollte, wenn jemand lediglich aus dem Regen herausgeholt wurde.
    „Stich zu“, flüsterte der Gefangene. „Herz oder Kehle, ist mir gleich.“
    „Ich – ich bin nicht hier, um dich zu töten“, murmelte Geron betroffen. Für einen Moment wünschte er, es wäre so. Der junge Mann hatte bereits einiges durchlitten und ihn würde wenig Gutes in der Hand seiner Feinde erwarten, solange Krazon bei seiner harten Linie blieb. Aber der Befehl des Kommandanten lautete nun einmal, ihn für die Befragung am Leben zu erhalten. Mit zusammengepressten Kiefern schnitt er ihn frei, vermied es dabei, in das hoffnungslose Gesicht zu schauen. Kurz schwankte er, ob er ihn zu Krazon bringen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Dass der Mann für ein paar Minuten wach war, machte ihn noch nicht bereit für ein Verhör.
    „Na komm, hoch mit dir!“ Geron packte ihn unter den Armen und zog ihn hoch, wissend, dass er dabei Druck auf die schweren Prellungen ausübte. Der junge Mann schrie heiser, sackte dann wimmernd zusammen. Ächzend und fluchend schleifte Geron den erneut Besinnungslosen zu seinem Zelt, ließ ihn vor dem Eingang liegen und ging selbst hinein. Hastig entzündete er die Laterne, die an einer Zeltstange befestigt war und schuf Platz, was bei der Enge kaum möglich war, bevor er ihn holte.
    Geron verschnaufte kurz. Wie sollte er diesem nassen Bündel winselndes Elend beistehen?
    Erst mal raus aus dem nassen Zeug!
    Er streifte sich selbst die Stiefel ab und legte den durchweichten Umhang sowie die Hose beiseite, damit sie ihn nicht störten. Sie waren von Statur und Größe ähnlich gebaut, der Gefangene war lediglich schmaler in den Schultern; Geron konnte ihm also von seinen eigenen Sachen etwas abgeben. Dazu musste er seinen unfreiwilligen Gast allerdings erst einmal ausziehen. Seufzend zerrte er an den schlammbedeckten Stiefeln, deren Leder bereits zu verhärten begonnen hatte. Sie lösten sich ebenso unwillig wie anschließend die völlig verdreckte Hose. Angewidert warf Geron den vollgesogenen Stoff in die äußerste Ecke des Zeltes. Hätte er sich doch früher ein Herz gefasst, Krazon festzunageln, statt zu warten, bis der Junge in Regenfluten und Schlammpfützen versunken war!
    Als er sich wieder umwandte, blickte er in weit aufgerissene Augen, die ihn verängstigt anstarrten. Der Grund für diese Furcht wollte Geron nicht einleuchten. Glaubte der etwa, man wolle ihm die Stiefel stehlen? Vor weiteren Schlägen dürfte er jedenfalls keine Angst haben, es war doch offensichtlich, dass er nicht hier war, um gefoltert zu werden.
    Ihm ist es vielleicht nicht klar. Ganz bei Sinnen ist er wohl nicht.
    Kopfschüttelnd zerrte er ihn zum Sitzen hoch, was mit atemlosen Schmerzensschreien kommentiert wurde und befreite ihn von dem Rest der durchweichten
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