Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe und Gymnastik - Roman

Liebe und Gymnastik - Roman

Titel: Liebe und Gymnastik - Roman
Autoren: Edmondo de Amicis
Vom Netzwerk:
Röte war in ihr Gesicht zurückgekehrt, diese feine und schön verteilte Röte, die bei großen angenehmen Erschütterungen auf die Blässe folgt und gleichsam die verschämte Freude über den Ruhm ist. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck freundlicher weiblicher Güte, den Celzani noch nie an ihr gesehen hatte und der ihren Augen, ihrem Mund und der ganzen Person eine neue verführerische Kraft verlieh. Er sah sie an, ekstatisch, ergriffen von einem fremden und schmerzlichen Gefühl, als wäre sie schon sehr weit von ihm entfernt, auf der anderen Seite eines immens breiten Flusses, auf der Kuppe eines Hügels, hinter dem sie für immer verschwinden würde.
    Als sie sich mit ihrem Grüppchen von Lehrerinnen in Bewegung setzte, versteckte der Sekretär sich hinter einem Pfeiler. Von dort aus erblickte er eine unerwartete Szene. Während die Pedani sich anschickte, aus der Tür zu treten, tauchte vor ihr die Maestra Zibelli auf, schlang ihr unter Tränen die Arme um den Hals und küsste sie mehrmals inbrünstig. Don Celzani hörte nicht, was sie sagte, verstand aber in etwa, dass sie überwältigt war, dass sie einem Impuls ihres Herzen folgend kam, um die Waffen zu strecken und für etwas um Verzeihung zu bitten. Die Pedani umarmte sie, und die andere entfernte sich gleich, drehte sich noch einmal um und winkte ihr leidenschaftlich zu.
    Die Pedani trat auf die Straße hinaus, er folgte ihr in großem Abstand.
    Sie ging langsam, ihr voraus, neben und hinter ihr ein Grüppchen junger Lehrerinnen: die üblichen Satelliten der Sieger, die um sie herum ein festliches Gezwitscher veranstalteten, sie aufmerksam machten, wenn es Droschken auszuweichen galt, Blicke in alle Richtungen warfen, wie um die Aufmerksamkeit der Passanten auf sie zu lenken. Hin und wieder verabschiedete sich eine von ihnen, eine andere kam dazu und schloss sich der Gruppe an. Sie bogen in die Via Santa Teresa ein und gingen weiter nach rechts, der arme Celzani immer hinterher.
    Ja, er wollte sie sehen, solang er konnte. Dann würde er seine Sachen holen und Turin verlassen. Wohin? Er wusste es nicht. Vielleicht nach Genua, um sich einzuschiffen. Gott würde ihn führen. Nur weit weg wollte er, um seine Leidenschaft in einem harten, arbeitsamen Leben zu ersticken, womöglich zu vergessen, oder wenn nichts anderes, wenigstens weniger zu leiden. Denn für das verzweifelte Leben, zu dem er hier verdammt war, reichten seine Seelenkräfte wirklich nicht mehr aus. Und nach diesem Triumph fühlte er sich auf elendere, sozusagen erbärmlichere Weise unglücklich als je zuvor, weil er früher nur den äußerlichen Unterschied zwischen sich und ihr gespürt hatte. Nun aber erkannte er, dass sie ihm auch geistig zu weit überlegen war: Sie hatte nicht nur sich selbst zum Ruhm erhoben, sondern auch ihn dadurch in den Staub geworfen. Er sah sie in wenigen Jahren: berühmt, allseits gefragt, geliebt, vielleicht verheiratet mit einem schönen, berühmten und mächtigen Mann. Da schien es ihm ein lächerlicher Unsinn, dass er gewagt hatte, um ihre Hand anzuhalten, sie zu belästigen, vor ihr niederzuknien und ihre Knie zu umfassen. Und eben die Erinnerung an diese Umarmung, das Gefühl, das dabei in ihm wiedererwachte, versengte ihm Blut und Hirn. Unterdessen verschlang er sie aus der Entfernung mit Blicken. Mal war sie von einer Droschke, mal von einer Menschengruppe verdeckt, dann tauchte sie wieder auf, und jedes Mal erschien sie größer, plastischer, triumphaler, was ihm den Dolch der Verzweiflung nur umso tiefer in sein zerrissenes Herz bohrte.
    Die Freundinnen begleiteten sie bis zum Haustor. Er blieb an der Ecke zur Via San Francesco stehen. Von dort aus erwartete er, sie für immer verschwinden zu sehen, wie in einem Abgrund.
    Doch als er beobachtete, wie die Freundinnen fortgingen und sie ins Haus trat, trieb ihn ein plötzlicher Entschluss, das unbezwingliche Bedürfnis, ihr noch einmal Lebwohl zu sagen.
    Er lief die Straße entlang, trat in den Hof und stellte sich hinter einen Pfeiler, sah sie auf die innere Tür zugehen und mit langsamen Schritten die Treppe hinaufsteigen, wobei sie sich ab und zu umschaute, als ob sie etwas verloren hätte oder als ob ihr die Gesellschaft fehlte, die sie verlassen hatte, und es ihr widerstrebe, nach diesem geräuschvollen Triumph unter derart vielen Menschen auf dieser dunklen und einsamen Treppe so allein nach Haus zurückzukehren.
    Auf Zehenspitzen schlich er ganz, ganz langsam hinter ihr her. Als sie auf dem zweiten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher