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Liebe mit beschrankter Haftung

Liebe mit beschrankter Haftung

Titel: Liebe mit beschrankter Haftung
Autoren: Voosen Jana
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dass er in diesem Moment bereut, mir nachgegangen zu sein. Andererseits ist er so wenigstens der Trauung entgangen, für die er sich ja sowieso nicht interessiert hat. Ich schluchze und schniefe offenbar so herzzerreißend, dass er schließlich sogar seine Arme um mich legt und mir unbeholfen den Rücken tätschelt. Es tut so gut, hier zu stehen, an eine muskulöse Männerbrust gelehnt, und Rotz und Wasser zu heulen. Obwohl ich mich schon besser fühle, mache ich noch ein bisschen weiter, weil es sich so gut anfühlt. Doch schließlich löse ich mich aus der Umarmung und sehe peinlich berührt auf das vorhin noch blütenweiße Hemd meines Trösters, das jetzt an der Brust vollkommen durchnässt und von meiner Wimperntusche verschmiert ist.
    »Ups, das tut mir leid«, entschuldige ich mich.
    »Ach, schon gut«, meint er. »Kann ich Sie jetzt alleine lassen? Ich glaube, ich sollte langsam wieder reingehen.«
    »Na klar«, nicke ich tapfer, obwohl ich mir wünsche, er würde nicht gehen. So eine Heulattacke in den Armen eines Fremden hat doch etwas ungemein Verbindendes. Selbst wenn der Betreffende ein Arschloch ist. Oder ein Ungläubiger. »Vielen Dank!«
    »Keine Ursache.« Er wendet sich zum Gehen.
    »Ich heiße übrigens Mia. Mia Sommer.« Er dreht sich wieder zu mir herum.
    »Marko Graf«, sagt er und streckt mir die Hand entgegen, die ich verlegen ergreife und schüttele. Es fühlt sich merkwürdig an, wo ich doch eben noch in seinen Armen gelegen habe. »Also dann.« Er lächelt und sieht jetzt irgendwie richtig süß aus. Seine dunklen Haare sind von der Feuchtigkeit gelockt und eine Schneeflocke bleibt an seinen langen Wimpern hängen.
    »Warum glaubst du nicht an die Liebe?«, frage ich und er zuckt mit den Schultern.
    »Ohne Liebe kein Schmerz.«
    »Oh.« Einen Augenblick stehen wir wortlos voreinander. »Aber das ist doch furchtbar traurig«, platze ich heraus. Wieder nur ein Schulterzucken.
    »Nicht so traurig wie du eben gerade. Also dann, ich muss jetzt wieder rein. Machs gut, Mia Sommer.«
    »Du auch.« Ich schlüpfe in die Ärmel meines Mantels, der immer noch locker um meine Schultern liegt, und ziehe den Reißverschluss bis unters Kinn hoch, während Marko durch die dünne Schneedecke davonstapft. Auch seine Rückseite ist alles andere als verachtenswert. Diese langen, schlanken Beine und die breiten Schultern. Dazu der menschenleere Kirchenvorplatz. Ich, tränenüberströmt und einsam, während das Schneegestöber um mich herum dichter und dichter wird. Fast komme ich mir vor wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film. Auch wenn es dort natürlich nie schneit. Außerdem würde ich vermutlich ein Brautkleid tragen. Und Marko würde sich umdrehen, kurz bevor er die Kirchentür erreicht hätte. Mir einen langen Blick zuwerfen, dann würden wir aufeinander zugehen, schneller und immer schneller, uns in der Mitte treffen, einander in die Arme fallen und in einen langen Kuss versinken. Ich schüttele energisch den Kopf, um meine albernen Gedanken zu vertreiben. Hier stehe ich nun und fantasiere über einen Mann, den ich noch vor fünf Minuten absolut unausstehlich gefunden habe. Und der nach eigener Aussage zu so etwas wie Gefühlen überhaupt nicht in der Lage ist. Vielleicht bin ich doch ein bisschen verrückt. Ein Emotionsjunkie mit mangelnder Bodenhaftung, wie Daniel es so charmant bezeichnet. Aber was soll eigentlich schlimm daran sein? Träumen wird doch wohl erlaubt sein, um die harte Realität etwas abzufedern. Um mich davon abzulenken, dass ich gerade Timo mit seiner neuen Freundin gesehen habe. Ich fühle einen Stich im Herzen, doch im selben Moment bleibt Marko plötzlich stehen. Genau vor der Kirchentür. Langsam dreht er sich um. Sieht zu mir herüber. Das kann doch nicht wahr sein. Träume ich vielleicht? Er kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, während er mit der rechten Hand in die Innentasche seines Jacketts greift. Mein Herz klopft wie verrückt. Wir stehen voreinander. Er lächelt, ich hänge wie gebannt an seinen Lippen.
    »Weißt du«, sagt er und klingt dabei ein bisschen verlegen, »das Gute daran, nicht an die Liebe zu glauben, ist, dass man frei heraus sagen kann, was man will.«
    »Hmm«, mache ich unbestimmt, weil ich nicht genau verstehe, was er meint.
    »Ich habe ja keine Ahnung, was da drin wirklich passiert ist, aber wenn ich mal eins und eins zusammenzählen soll, würde ich vermuten, dass es was mit einem Mann zu tun hat.« Ich nicke. »Dass du Liebeskummer hast.« Ich nicke
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