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Liebe, Lust und Lesebrille

Liebe, Lust und Lesebrille

Titel: Liebe, Lust und Lesebrille
Autoren: Felicitas Roemer
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Entscheidung gehen in der Regel lange Jahre der Entbehrung und des Kämpfens voraus.
    Noch schmerzlicher, als selbst zu gehen, ist es vielleicht, vom Partner wegen einer Jüngeren sitzen gelassen zu werden. Auch das kommt ja durchaus häufiger vor. Kränkend ist dann nicht nur die Tatsache, dass er sich einer anderen Frau mental und erotisch zuwendet, die einige Jahre weniger auf dem Buckel hat als man selber, sondern auch, dass damit sozusagen die eigene Reife entwertet zu werden scheint. Warum – so fragen sich viele Frauen dann – ist er nicht in der Lage, sich mit einer erwachsenen und selbstbewussten Frau auseinanderzusetzen? Warum flüchtet er zu »jungem Gemüse«, das ihm nicht viel entgegenzusetzen scheint, sondern ihm ausschließlich naive Bewunderung zukommen lässt?
    Na ja, so simpel ist es zwar oft gar nicht. Aber der Schmerz, gegen sogenanntes »Frischfleisch« ausgetauscht zu werden, kann trotzdem sehr tief sitzen. Manche rationalisieren diesen dann, indem sie versuchen, die Motive des männlichen Partners mit Evolutionstheorien zu rechtfertigen. So wie die Schauspielerin Marianne Sägebrecht, die die Meinung vertritt, ältere Männer sollten zwei Frauen haben können, nämlich »eine junge Frau, mit der er Sex hat. Und eine Gleichaltrige, mit der er sich geistig und seelisch austauschen kann.« Ihre Erklärung: »Wenn ein Mann älter wird, bekommt er biologisch noch einmal einen Fortpflanzungsdrang. Es ist ganz natürlich, dass er sich mit jungen Frauen einlässt, die ihm vielleicht noch ein Kind schenken können« 25 , so Sägebrecht. Bei aller verständlichen Wut, Enttäuschung und Trauer, sollten verlassene Frauen aber nicht dauerhaft dem Glauben aufsitzen, nur die Jüngere, die ihr den Mann ja schließlich ausgespannt habe, sei daran schuld. Abgesehen davon, dass es um Schuld natürlich ohnehin gar nicht geht.
    Die hinter dieser Entwicklung liegenden Prozesse sind meistens sehr komplex und werden oft erst im Nachhinein sichtbar z. B. in einer Therapie. Sie laufen in der Regal unbewusst ab und sind von daher kaum steuerbar. Auch wenn es zunächst klar zu sein scheint, wer hier das Opfer und wer Täter ist, könnte man sich folgende Fragen stellen: Hat dem Mann vielleicht doch etwas gefehlt in der Ehe? Wie lebendig war unser Miteinander vorher? Habe ich mich vielleicht manchmal geweigert, bestimmte Signale rechtzeitig zu erkennen?
    Wobei es bei diesen Fragen – wie gesagt – niemals um Schuld gehen sollte, sondern nur um Erkenntnisgewinn. Den eigenen Anteil am Scheitern der Beziehung zu suchen, kann erstens helfen, selber weiterzukommen, sich über die eigenen Verhaltensmuster und -strukturen klarer zu werden. Und zweitens ist es auch wichtig für die Zukunft: Wollen wir nämlich vielleicht doch nochmals mit jemand anderem zusammen ins Glück starten, ist es hilfreich, die alten »Fehler« nicht unbedingt wiederholen zu müssen.
    Sollten Sie also eine Trennung hinter sich haben, so könnten jetzt folgende Themen für Sie wichtig sein:
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    Was kann ich durch die Trennung über mich lernen?
Was hat mich am meisten verletzt? An welchem wunden Punkt hat mich mein Ex-Partner/meine Ex-Partnerin schwer getroffen?
Wie gehe ich mit dieser Verletzung um? Was kann ich tun, damit diese Wunden heilen können? Wer kann mir dabei helfen?
Bin ich auch erleichtert?
Was habe ich dazu beigetragen, dass die Beziehung gescheitert ist?
Welche unbewussten Muster sind bei uns abgelaufen, die vielleicht echte Nähe und Wachstum verhindert haben?
Hat mein Partner/meine Partnerin mir Vorwürfe gemacht? Welche waren das? Hat er/sie mit einigen davon vielleicht Recht gehabt?
Wie bin ich mit diesen Vorwürfen umgegangen? Habe ich sie dauerhaft abgewehrt oder habe ich sie mir ernsthaft zu Herzen genommen?
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    Sich mit diesen Fragen nach den eigenen Anteilen zu beschäftigen, die möglicherweise mit zum »Scheitern« der Beziehung beigetragen haben, ist zugegebenermaßen sehr unangenehm. Viel leichter ist es, die Schuld und Verantwortung beim anderen zu suchen: »Er hat mich vernachlässigt!« – »Sie ist mir untreu gewesen!« – »Er war unaufmerksam und hat sich nicht um mich bemüht!« Doch das ist ja nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist vielleicht, dass wir vieles zu lange ertragen haben, ohne etwas daran zu ändern. Dass wir vielleicht auch nicht immer das gegeben haben, was der Partner sich gewünscht hat. Dass wir auch unsere unbewussten »Spielchen« mit ihm gespielt haben, die mehr mit
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