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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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und jetzt, da ich den Kaffee im Becher schwenke, sind das auf irgendeine Weise alles weit entfernte Erinnerungen.
    Mir scheint, das will mir das eine oder andere sagen.
    Und ich fahre los.
     
    Trotzdem. Ich bin von mir selbst enttäuscht, dass ich die Sache in Hali so vermasselt habe. Ich habe es immer noch nicht richtig hinbekommen, mich einfach hinzusetzen und mit den Einheimischen zu unterhalten. Die so echt sind, so authentisch, so wahrhaftig, so wirklich. Mich dann wieder zu erheben, mich zu bedanken und hinauszugehen wie ein Mann. Wahrhaftig, authentisch, wirklich. Das ist etwas, von dem ich finde, dass man es einfach hinbekommen muss. Dass ich es hinbekommen muss. Das in Hali ist Pech gewesen. Wenn ich eine zweite Chance bekäme, würde es mir gelingen.
    Kurz darauf fahre ich in die Zufahrt zum Gehöft Kvísker. Es liegt unter dem Gletscher auf dem Breiðamerkursandur, ist der östlichste Hof in der Einöde Öræfi und auffallend hübsch. Hinter sich eine Felswand und weites Flachland davor. Björn hatte mir erzählt, dass dort zwei Brüder wohnen, naturwissenschaftliche Autodidakten, die weithin bekannt seien für ihre Untersuchungen und im Speziellen für ihre bemerkenswerte Insektensammlung. Ich werde daher etwas nervös, als ich in die Zufahrt einbiege. Dort leben ebenfalls geehrte und ehrwürdige Genies, und ich habe nicht besonders viel Ahnung von Naturkunde. Die Prüfung könnte daher ausgesprochen schwer werden.
    Die Brüder kommen beide zur Tür. Schlanke, grauhaarige Männer mit Brille, äußerst zuvorkommend, gebildet und mit nachdenklichem Ausdruck. Ich erzähle von meiner Reise und rede mit dem einen Bruder eine Weile über das Wetter und das Woher und Wohin. Der Größere ist zurückhaltender und belässt es dabei, ab und an zu nicken. Als das Gespräch bereits auf der Türschwelle zu stocken beginnt, sage ich: »Ich habe gehört, dass sich hier die herausragendste Insektensammlung des Landes befindet.« Und werde hereingebeten, die Schmetterlingssammlung anzusehen.
    Der größere geht zur Seite, und der andere bittet mich in die Stube. An den Wänden entlang stehen Stühle aufgereiht, doch die Mitte desRaumes ist leer. Auf einem Tisch in einer Ecke sind einige Papierstapel und eine alte Schreibmaschine. An dem einen Ende steht unter einem Fenster noch ein kleiner Tisch. Möbel stehen hier ansonsten nicht so im Vordergrund, und die helle Stube ist mit einem angenehm altmodischen Charme angefüllt. Der Bruder geht in den Flur, kommt dann mit fünf Kästen im Arm zurück und reiht sie auf dem Ecktisch auf. Unter den Scheiben der Kästen stecken Falter auf ihren Nadeln. Der Bruder geht jeden von ihnen durch und erklärt mir das eine oder andere. Wo im Land die Falter jeweils vorkommen, wie verbreitet sie sind, wovon sie leben, welche davon nicht aus Island sind, sondern sogenannte verirrte Wanderfalter, und er nimmt einige von ihnen heraus, um sie mir noch besser zu zeigen. Alles läuft gut. Ich frage diesmal nur wenig, da Falter nicht gerade mein Spezialgebiet sind, und belasse es bei gelegentlichem Nicken oder begeisterten Zwischenrufen: »Ja, wirklich, tatsächlich.« Und dem Bruder erscheint das völlig normal. Er geht manche Kästen sogar ein zweites Mal durch, was ich durchaus sinnvoll finde.
    Danach setzen wir uns. Ich an die eine Wand und er an die andere, direkt gegenüber. Auf gewisse Weise ist es schwieriger, keinen Tisch dazwischen zu haben. Man wird schutzloser. Es verlangt nach noch besonnenerem Auftreten. Ich kann mich nicht einfach auf den Sitz fallen lassen, die Beine ausstrecken oder die nervösen Hände verbergen. Sondern muss mich gut betragen und zugleich eine gewisse Unbeschwertheit ausstrahlen. Etwas ruhiger werden und eine entspannte und vor allem natürliche Würde an den Tag legen. Gleichzeitig muss ich mir mit dem Gespräch Mühe geben. Genau zuhören, wohlüberlegt antworten oder mit angemessener Neugier nachfragen. Ganz besonders mit Vorsicht zu behandeln ist das Schweigen zwischendrin. Hier spielt jeder Sekundenbruchteil eine Rolle und kann eine angemessene und angenehme Pause in das reinste und peinlichste Desaster verwandeln. Es lässt sich jedoch immer noch retten, indem man »Nun gut« sagt und so zu verstehen gibt, dass man gerade nachdenkt und gleich noch etwas kommt oder dass man noch mit dembeschäftigt ist, was der andere gesagt hat. Aber dann muss der Ton genau stimmen. Genauso muss ich, als Gast, dann und wann einige Sätze des Gesprächs vorausberechnen, um
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