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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition)
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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in ihm wohl fühlen würde. Meine Erlösung war, dass der Schwager, als wir den Kaufvertrag unterschrieben hatten, sagte: »Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, du wirst ein guter Besitzer sein.«
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Einfach so«, antwortete er.
    Es war außerordentlich beruhigend, ihn dies sagen zu hören. Da glaubte ich dann auch zu verstehen, was er gemeint hatte, als er sagte: »Ich denke, es ist jetzt genug.« Und obwohl ich nach den drei Probefahrten etwas sicherer wurde, brauchte ich fast die ganze Reise, um mich in der Gesellschaft des Wagens wohl fühlen zu lernen. Diesen Volvo Lappländer, Jahrgang 1981, erfolgreich den ganzen Ring um das Land zu bringen, wurde schließlich schnell eine der größten Prüfungen der Reise.
    Die beiden Tage zwischen Autokauf und Abreise nutzte ich für weitere Vorbereitungen. Und kam vor Heimweh fast um. Ich bekomme immer Heimweh kurz vor einer langen Reise. Fühle mich, als würde ich niemals zurückkommen. Sehe auf einmal nichts anderes als das Gute um mich herum und fühle mich wie ein Idiot, das alles zu verlassen. Wenn es am schlimmsten wird, habe ich das Gefühl, zu sterben. Immerhin stirbt man auf eine gewisse Weise, wenn man wegfährt. Man verschwindet und kommt als ein anderer zurück. Besonders betrüblich empfand ich, dass es für meine Umwelt völlig unbedeutend zu sein schien, ob ich losfuhr oder nicht. Diese zweimonatige Abwesenheit würde überhaupt keine Auswirkungen auf irgendetwas oder irgendjemanden haben, außer auf mich selbst. Ich musste keinen Mitarbeiter einarbeiten, um mich zu vertreten. Ich musste keine wichtige Sitzung abhalten, um Leute zu beruhigen, dass alles in Ordnung sein würde. Ich musste keine Projekte fertigstellen. Nichts würde sich ändern, wenn ich wegfuhr. Gar nichts. Ich musste mich nur ausrüsten. Dann konnte ich sterben. Dies ist die Liste der Dinge, die ich für nötig hielt dabei zu haben, wenn man für zwei Monate sterben wollte: Kleidung,eine Lampe, eine Decke, Bettdecke + Kopfkissen, Schlafsack, Funktelefon + Mobiltelefon, Topf, Campingkocher, Besteck, Essen, Teller, Zippo + Benzin, Küchenrolle, Toilettenpapier, Fernglas, Käsehobel, Trichter, Zahnpasta, Shampoo, Rasierzeug, Karte + Straßenatlas, Zahnbürste, Thermosflasche für den Kaffee, Wasserflaschen, Fotoapparat, Schaufel, Zündsteine, Mülltüten, Pflaster, Kühlbox, CD-Player, CDs, Bücher, Batterien.
    Als ich die Dinge zusammengesammelt, die Bremsen am Auto hatte reparieren lassen und beschlossen hatte – nachdem ich eine ganze Reihe von Jeepfahrern um ihren Rat dazu befragt hatte –, keine Spikes an den Reifen anbringen zu lassen, war ich bereit. Der Reiseplan war einfach, und zwar an so vielen Dörfern wie möglich vorbeizukommen und die Zeit etwa gleichmäßig auf die vier Landesteile zu verteilen.
    Ich nahm Abschied.
    Mutter sagte: »Mein lieber Huldar, wenn du in diesem Auto zwei Monate lang allein und verlassen leben kannst, dann kannst du alles.«
    Stebbi sagte: »Du kommst geschädigt zurück.«
    Also fuhr ich los.

Und trotzdem auf Reisen
     
    Meine Nase ist eiskalt. Es fällt mir schwer, mich aufzuraffen, mich aus dem Schlafsack zu lösen, denn im Wagen herrscht eine entsetzliche Kälte, und ich habe schlecht geschlafen. Es war erst sieben Uhr heut früh, als ich aufschreckte und realisierte, dass ich mich die ganze Nacht zwischen Schlaf und Wachen gewälzt hatte. Unbegreiflich, in so einer Kälte zu schlafen. Als ob man gerade so einnickt und dann träumt, dass man schläft.
    Inzwischen ist es Mittag, und die Sonne scheint durch die hellen Plastikgardinen. Ich liege hinten auf der Liegefläche, die Beine am Motor, der sich in der Mitte des Autos befindet und noch wohlige Wärme von sich gab, als ich gestern Abend einschlief. An den Wänden auf beiden Seiten ist das Gepäck verteilt. Links befinden sich zwei kleine, mit Kleidung vollgestopfte Reisetaschen, und darauf liegen Anoraks und Jacken. Rechts liegt eine kleine Sporttasche voller Bücher und CDs. Daneben ist eine leere Stelle, wo ich die Decke und den Schlafsack aufbewahre. Unter der Liegefläche befinden sich Schuhe, Lebensmittel, eine Kühlbox und Bücher vom Verlag Bjartur, die ich unterwegs verkaufen möchte. Hinter der Liegefläche befinden sich die Schaufel, der Campingkocher und die Kochutensilien. Dieser schwedische Volvo ist eine Immobilie auf Rädern. Ein Fünf-Quadratmeter-Heim. Das Wohnzimmer vorne, das Esszimmer über dem Motor, das Schlafzimmer hinten, das Lager darunter und die
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