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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen
Autoren: B Kirchhoff
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Sommerort. Er hatte von unterwegs noch einmal angerufen, ihm war der Name des Hotels entfallen, in dem er wohnen sollte, solange das Haus noch belegt war, am anderen Ende Renz und gleich mit einem Kompliment: Gut rübergekommen in dem Interview, auf den Punkt! Und das Hotel war das Gardesana am kleinen Hafen von Torri, Bühl hatte dort das Eckzimmer zum See mit altem Holzbalkon, am Abend wurde er zum Essen erwartet; auf seinem Bett ein Umschlag, darin ein Wegeplan, wie er zum Haus käme, narrensicher, unter der Zeichnung eine Frage, Vilas fließende Schrift – Sie mögen doch Fisch, einen Branzino? (Alles Umwerbende geschah bei Vila und Renz im Rahmen italienischer Gerichte und Weine, für Tochter Katrin nur eine Sitte derer, die an den Seitenarmen der Schweizer Straße als isoliertes Völkchen der Gourmets und Besitzer von Audi- und BMW-Kolossen lebten, auch wenn Renz einen kolossalen, nicht mehr ganz taufrischen Jaguar fuhr, Super V 8, Langversion, schwarz.)
    Vila zog sich noch um für den Besuch, Leinenhose und einen Pullover wie aus Watte, beides in Verona gekauft. Die Tage waren immer noch mild, von schleirigem Blau, abends konnte es schon frisch werden, die letzten guten Tage am See und für sie der Abschluss, morgen um die Zeit wäre sie schon im Flugzeug nach Orlando, Florida, zu ihrem Kind mit dem neuen Leben im Bauch. Wenn du willst, dann komm, hatte Katrin etwas vage geschrieben, ich weiß nicht, was ich tun soll, wie löst man sich in Luft auf? Eine Panik, die sie damals, schwanger mit Katrin, auch erlebt hatte, also wollte sie bei ihr sein, ihr Mut machen. Und wenn das Kind zur Welt käme, wäre sie immer noch zweiundfünfzig, nur für Eingeweihte eine Großmutter. Vila strich ihr dunkles Haar hinter die Ohren und schlang es zu einem losen Knoten über dem Nacken; die grauen Streifen darin sah man kaum, und Helge, Visagist vom Mitternachts-Team, konnte sie ganz verschwinden lassen vor einem Dreh. An diesem Abend gefiel sie sich mit dem Hauch von Silber, passend zum Anlass, dem letzten Essen im Freien, auf dem Tisch drei Windlichter, für jeden eins. Der Branzino war frisch, sie hatte ihn vormittags eingekauft und später noch das eine und andere entdeckt, für Katrin eine CD, Paolo Conte, den mochten sie beide, für sich selbst ein paar offene Schuhe, schmal und gläsern wie Libellen, und auch etwas für Renz, einen Gürtel, nicht der erste. Er trug am liebsten gar keinen Gürtel und nahm Ziehharmonikafalten im Kauf – ein weiterer Versuch, und erfolgreich, die Gürtelschnalle glänzte an ihm. Sie verbesserte Renz, seit sie sich kannten, besonders vor Besuchen; früher bedeutete jedes neue Gesicht ein Risiko, man wusste nie, wen er ignorieren würde, und inzwischen hatten sie einen Freundeskreis, auf den andere schon neidisch waren. Jedes Paar, das bis an den See fuhr, um sie beide zu sehen: ihr Verdienst. Anne und Edgar, Elfi und Lutz, Heide und Jörg, die beiden Schaubs, das Hollmann-Gespann und die Wilfingers. Und seit einiger Zeit, vielleicht auch sein Verdienst, die Englers aus Mainz, Thomas und Marion, Marion nur etwas jünger als sie, aber mit demselben Frisör in Frankfurt; an manchen Tagen kam sie kaum nach mit dem Schreiben und dem Beantworten von Mails, um irgendein Samstagabendessen abzustimmen.
    Ist der Wein schon auf? Eine ihrer alarmierenden Fragen vor jedem Essen, laut nach unten gerufen, und von Renz nur ein Ja, so knapp wie das bei ihrer Heirat, als sie im sechsten Monat war. Vila zog die Libellenschuhe an und trat vor den Spiegel in dem Bad neben ihrem Schlafzimmer. Der Pullover erschien ihr zu herbstlich, sie wählte ein Hemd, transparent wie die abgestreiften Häute von Schlangen gegen Ende des Sommers unter der alten Steinmauer am Gartentor, von der Hitze gewellt. Drei, vier windstille Tage im September genügten, um zwischen den Bergen noch einmal die Hitze zu stauen, eine Hitze, die sich dann bis in die Nacht hielt, dazu der Mond groß und rötlich über dem See. Beide liebten und fürchteten sie dieses finale Lodern, ihre Gnadentage vor der Abfahrt, die ersten wilden Weinblätter schon mit dem Rot von getrocknetem Blut; wer nicht bei Regen abreisen wollte, musste es vorher mit Wehmut tun. Vila zog die Schuhe wieder aus und ging barfuß durch die oberen Räume, der Boden aus Schweizer Lärche warm und glatt, sie hatte ihn selbst versiegelt, ihr warmer Boden, auf dem sie ging. Im Grunde gab es zwei Häuser in einem, das von Renz und ihr ganz eigenes; der Mieter würde unten
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