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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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»Was
ist denn mit deinem Haar passiert?«
      Aber Nelerissa attackierte, ihr Schwert zuckte nach seiner Kehle.
  Er parierte, aus reinem Reflex.
      »Dein Kopf ist ja ganz vernarbt!« Ja, der war, von den Brauen bis
hinter die Ohren, mit einer glasig weißen und so rohen rosa Masse
bedeckt. »Oh, Götter, Nel ...«
      Ihr Stoß war eine Finte; die Spitze ihrer Klinge senkte sich nach
seinem Unterleib. Er parierte jäh mit dem Degen, fing mit seinem
Dolch den ihren ab. Sie stieß damit nach seinem linken Handge-
lenk und stach zugleich mit ihrem Schwert nach seinem Herzen.
  Aber ihr Dolch prallte von seinem Schutzschild ab wie von Stein -
und das Schwert schlug er ihr mit einer harten Drehung seines
Degens aus der Hand, daß es auf die Fliesen krachte.
  Und Degen, mochte er über ihre Narben auch bekümmert sein,
nutzte seinen Vorteil: Er klemmte ihren Dolch zwischen Klinge
und Garde des seinen ein, stieß mit dem Degen nach ihrer bloßen
Kehle und schrie: »Nur einer von uns darf in die Stadt zurück!«
  Aber seine Klinge stach ins Leere.
      Denn Nelerissa hatte ihren blockierten Dolch losgelassen und war
blitzschnell beiseite gesprungen. Jetzt hob sie den Fuß und trat
hart zu - mit ihrem ersten Tritt traf sie seinen Degenarm und mit
ihrem zweiten sein Kinn. Und ehe seine Klinge zu Boden geklirrt
und das Krachen seiner Halswirbel verklungen war, hatte sie
schon wieder ihre Position gewechselt und die Arme kampfbereit
erhoben.
      Degen fiel wie eine Marionette, der die Fäden durchtrennt wurden, in sich zusammen.
      Die Kerle aus Areherna konnten mit Fäusten und Füßen zuschla-
gen; aber sie waren doch nur Schläger, wußten ihren Körper nicht
als Waffe einzusetzen. Nelerissas Leute waren Meister in dieser
Kunst gewesen. Aber das hatte ihnen gegen jene zehntausend kai-
serlichen Infanteristen und die Hundertschaft an Feldhexern
nichts genützt. So waren die meisten von ihnen erschlagen worden...  
      Einige waren entkommen, und einige waren in die Sklave-
rei verschleppt worden. Aber von den letzteren waren schon we-
nige Monate nach der Ankunft in der Stadt die meisten tot und die
übrigen entflohen. Da hatte man im Reich gesagt, diese Nordberg-
ler taugten nicht zu Sklaven, und an dem Glauben festgehalten, all
die Berichte über waffenlos kämpfende Bergbewohner seien
ebenso Legenden wie jene, wonach die Südler den Kopf in der
Hand hielten - oder gar keinen hätten und ihr Gesicht auf dem
Bauch spazierentrügen.
      Kein Wunder, daß Degen es nie einer Überlegung für wert gehal-
ten hatte, auch nur einen Penny für die Abwehr unbewaffneter
Angriffe auszugeben, und immer gemeint hatte, in solchen Lagen
genüge ein schneller Degen!
      Nun starrte er, flach auf dem Rücken liegend, zu Nelerissa empor.
  Sein Kopf ruckte, Rumpf und Glieder aber waren starr. Blut trat
ihm auf die Lippen, als er da keuchte: »Du ... sagtest doch ...«
  »Natürlich habe ich gesagt, das seien alles Märchen«, versetzte
Nelerissa. Ja, sie hatte getan, als ob sie nicht wisse, wovon er rede,
als er sie gefragt hatte, was denn an den Legenden über den waf-
fenlosen Kampf dran sei - und dann geschworen, das sei Gerede.
  Und bei seinem Schwert- und Dolchunterricht hatte sie sich so im
Zaum gehalten, um nur nichts von ihrer Fertigkeit in dieser Kunst
zu zeigen! »Ich war jung und dumm, als ich in die Stadt kam ...
aber nicht so dumm, das alte Wissen meines Volkes preiszugeben
und zu verraten.«
      »Ich kann mich nicht mehr rühren«, ächzte Degen mit schwacher
und schwankender, kaum hörbarer Stimme. »Ach, Götter! Du
hast mir den Hals gebrochen.«
      »Ven, ich habe dich gewarnt, dich aufgefordert abzuhauen«, sagte
Nelerissa und wunderte sich, daß ihre Stimme so belegt war. Sie
hatte ja im voraus gewußt, daß sie ihn um der Trophäe willen wohl
töten müßte, und war darüber nicht erschrocken. Warum also die-
ser Kloß in ihrer Kehle, warum diese Tränen jetzt?
  »Töte mich«, bat Degen, der den Tod doch so gefürchtet hatte, daß
er einem Hexer für allerlei Schutzzauber sein Vermögen hingege-
ben hatte. »So kann ich nicht weiterleben.«
      Ich würde ihm eine Gnade erweisen, dachte Nelerissa, starrte aber
nur auf ihn, der da hilflos zu ihren Füßen lag. Was ihr Werk
war.
      »Töte mich endlich!«
      Nun kniete sie sich schnell neben ihn und legte ihm eine Hand auf
die Wange. »Lebe wohl!« flüsterte sie dann, lehnte ihr Gesicht an
das seine, zog mit ihrer freien Hand
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