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Lichtlos 2 (German Edition)

Lichtlos 2 (German Edition)

Titel: Lichtlos 2 (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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ihr zu sagen, was sie empfinden soll.
    Sie lässt die Hand des Monsters auf den Boden sinken und wendet sich wieder der eingehenden Betrachtung seines Gesichts zu, insbesondere der großen Höhlen, auf deren Grund das gesprenkelte und pelzige Gewebe liegt, das von seinen Augen übrig geblieben ist. Wieder flackert die verdeckte Beleuchtung, geht diesmal aber nicht aus, sondern ruft aus diesen knöchernen Augenhöhlen pulsierende Schatten herbei, sodass es scheint, als rollte ein Augenpaar wiederholt von links nach rechts und wieder zurück, vollkommen schwarze Augen, wie die des Todes sein könnten, wenn er mit einem Räumungsbescheid vor der Tür steht.
    »Ich bin nicht schön. Das ist nicht der Grund, weshalb er sich bereit macht, mich zu töten. Im Lauf der letzten Monate hat es Momente gegeben, in denen er mich sucht und mich nicht finden kann, weil ich hier bin. Und später, wenn er mich nimmt und mich liest, scheint es in meinen Erinnerungen so, als sei ich immer an einem ganz gewöhnlichen Ort gewesen, wo er mich hätte finden sollen. Eine Zeit lang dachte er, der Fehler läge bei ihm, aber jetzt hat er den Verdacht, dass ich gelernt habe, wie ich das eine oder andere vor ihm verbergen kann, weil ich nicht will, dass er es weiß .«
    Die Kraft, den Puppenspieler auch nur aus einem kleinen Teil ihres Gedächtnisses auszusperren, sollte eine hoffnungsvolle Entwicklung sein, doch sie scheint keine Hoffnung daraus zu schöpfen.
    »Und hat er recht? Hast du gelernt, das eine oder andere vor ihm zu verbergen ?«
    »Es heißt, man sollte schon als Kind Fremdsprachen lernen, weil man sie sich viel schneller aneignet als später, wenn man erwachsen ist. Ich glaube, so verhält es sich auch damit, rauszukriegen, wie man Hiskott austrickst. Ich kann nicht viel vor ihm verbergen, aber von Monat zu Monat ein bisschen mehr, darunter auch diesen Ort, an den ich gehe, um ihm zu entkommen. Ich glaube nicht, dass es einem der Erwachsenen gelungen ist, das zu tun, aber ich glaube, Maxy könnte etwa da gewesen sein, wo ich jetzt bin, als er getötet wurde. Vielleicht hat Hiskott Maxy verdächtigt. Vielleicht hat er befürchtet, Maxy könnte lernen, wie er sich seiner Übernahme widersetzt, und daher hat er ihn ermordet .«
    »Du glaubst, du könntest lernen, ihn auszusperren? Ihm die Herrschaft über dich zu verweigern ?«
    »Nein. Und wenn überhaupt, dann würde es Jahre dauern. So lange wird er mich nicht leben lassen. Aber es gibt noch etwas, was ich getan habe .«
    Sie pocht mit einem Zeigefinger leicht gegen die Spitzen von Orks Schneidezähnen und lässt ihn von links nach rechts über das Haifischgrinsen des Kadavers gleiten.
    Wenn Orks Hand von einem Moment auf den nächsten mit den Fingern auf den Boden trommeln kann, dann könnten seine Kiefer, die anscheinend durch verwitterte Sehnen und geschrumpfte Muskeln offen gehalten werden, auf ihren zarten Fingerspitzen zuschnappen.
    Ich spiele mit dem Gedanken, sie zu warnen. Aber bestimmt hat sie selbst schon an diese Gefahr gedacht und wird meine Warnung missachten. Etwas an diesem Moment weist darauf hin, dass das, was Jolie fasziniert, weder Orks Existenz noch seine Ursprünge sind und auch kein bestimmter Zug seines dämonischen Gesichts. Stattdessen scheint sie, während sie mit gefurchter Stirn die scharfen Kanten ihrer eigenen Zähne mit ihrer Zunge ebenso prüft, wie sie Orks Anordnung von Dolchen mit ihrem Finger beurteilt hat, über eine Frage nachzudenken, die ihr Sorgen bereitet.
    Und dann fasst sie ihre Sorge in Worte: »Weiß ein Monster, dass es ein Monster ist ?«
    Ihre Frage erscheint einfach, und manche Leute könnten sie lächerlich finden, weil, wie moderne Denker wissen, die Psychologie und Theorien gesellschaftlicher Ungerechtigkeit die Motive aller erklären können, die jemals eine teuflische Tat begehen, und aufzeigen, dass diejenigen tatsächlich selbst Opfer sind; daher gibt es so etwas wie Monster nicht – keine Minotauren, keine Werwölfe, keine Orks und gleichermaßen keine Hitlers, keine Mao Tse-tungs. Aber ich kann erraten, warum sie die Frage stellt, und in diesem Zusammenhang ist es eine vergleichsweise komplexe Untersuchung, die für sie von tiefschürfender Bedeutung ist.
    Jolie verdient eine durchdachte und nuancierte Antwort, obwohl eine vielschichtige Erwiderung sie unter den derzeitigen Umständen nur zu weiteren Selbstzweifeln anspornen wird. Wir haben keine Zeit für eine solche Verunsicherung, denn es ist Verlass darauf, dass sie
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