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Lichtjahre

Lichtjahre

Titel: Lichtjahre
Autoren: James Salter
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von vielen Abendessen zu sehen: Essen auf dem Lande, Dinner im Russian Tea Room, dem Café Chauveron zusammen mit Viris Kunden, im St. Regis, im Minotaur.
    Es kamen Gäste mit dem Auto aus der Stadt, Peter Daro und seine Frau.
    »Um wieviel Uhr kommen sie?«
    »Gegen sieben«, sagte Viri.
    »Hast du den Wein aufgemacht?«
    »Noch nicht.«
    Der Wasserhahn lief, ihre Hände waren naß. »Hier, nimm das Tablett«, sagte sie. »Die Kinder wollen vorm Kamin essen. Erzähl ihnen eine Geschichte.« Sie stand einen Moment lang da und begutachtete ihre Vorbereitungen. Sie schaute kurz auf die Uhr. Die Daros trafen in der Dunkelheit ein. Man hörte die Autotüren schwach zuschlagen. Ein paar Augenblicke später standen sie mit strahlenden Gesichtern an der Eingangstür. »Hier ist ein kleines Geschenk«, sagte Peter. »Viri, Peter hat Wein mitgebracht.«
    »Gebt mir eure Mäntel.«
    Der Abend war kalt. In den Räumen spürte man den Herbst. »Das ist eine schöne Fahrt hierher«, sagte Peter, während er sich die Kleidung glattstrich. »Ich liebe diese Strecke. Sobald man die Brücke überquert hat, ist man mitten im Wald, alles stockfinster, und die Stadt ist verschwunden.«
    »Es ist fast urtümlich«, sagte Catherine. »Und man ist zu dem schönen Haus der Berlands unterwegs.« Er lächelte. Was für eine Selbstsicherheit, welche Siegesgewißheit liegt in den Zügen eines Mannes um die Dreißig.
    »Ihr seht wunderbar aus, ihr beide«, sagte Viri.
    »Catherine ist ganz vernarrt in dieses Haus.«
    »Genau wie ich«, lächelte Nedra.
    Novemberabend, immer gleich, klar. Geräucherte Bachforelle, Hammelfleisch, ein Endiviensalat, auf der Anrichte ein entkorkter Margaux. Das Essen wurde unter einem Druck von Chagall aufgetragen, der Meerjungfrau über der Bucht von Nizza. Die Signatur war wahrscheinlich unecht, aber wie Peter schon früher gesagt hatte, was machte das für einen Unterschied, sie war ebensogut wie Chagalls eigene, vielleicht sogar noch besser, mit genau dem richtigen Schuß Lässigkeit. Und der Druck, dieser in reiner Nacht treibende Engel, war schließlich nur einer von Tausenden, von denen sich die meisten nicht einmal durch irgendeine Signatur auszeichneten, echt oder unecht.
    »Mögt ihr Forelle?« fragte Nedra, die Platte in der Hand haltend.
    »Ich weiß nicht, was ich lieber mag, sie zu fangen oder sie zu essen.«
    »Du kannst sie also wirklich fangen?«
    »Es gab Zeiten, da hab ich mich das auch gefragt«, sagte er. Er nahm sich eine großzügige Portion. »Wißt ihr, ich hab schon überall geangelt. Forellenangler sind eine Sorte für sich, einsam, wunderlich. Nedra, das schmeckt köstlich.« Er hatte schütteres Haar und ein glattes, volles Gesicht, das Gesicht eines Erben, eines Mannes, der für den Trust einer Bank arbeitet. Aber in Wirklichkeit war er den ganzen Tag auf den Beinen, ständig Gauloises rauchend, die er aus verkrumpelten Päckchen angelte. Er hatte eine Galerie. »So hab ich Catherine erobert«, sagte er. »Ich habe sie mit zum Angeln genommen. Eigentlich hab ich sie zum Lesen mitgenommen; sie saß mit einem Buch am Ufer, während ich Forellen fing. Hab ich euch die Geschichte erzählt, wie ich in England angeln war? Ich fuhr zu einem kleinen Fluß, es war einmalig. Das war nicht der Test, das ist der berühmte Fluß, den jahrelang ein Mann namens Lunn verwaltete. Sagenhafter alter Mann, typisch englisch. Es gibt ein wunderbares Foto von ihm mit Pinzette, wie er gerade Insekten sortiert. Der Mann ist eine Legende. Ich war in der Nähe von einem Gasthaus, einem der ältesten in England. Es heißt ›The Old Bell‹. Ich kam an diese wirklich schöne Stelle, und da waren zwei Männer, die saßen am Ufer und waren nicht gerade glücklich darüber, daß da noch jemand auftauchte, aber da sie Engländer waren, taten sie natürlich so, als hätten sie mich nicht einmal gesehen.«
    »Peter, entschuldige bitte«, sagte Nedra. »Nimm dir noch etwas.«
    Er bediente sich.
    »Nun gut. Ich sagte: ›Wie geht's?‹ - ›Schöner Tags‹ sagte der eine. ›Ich meine, wie läuft das Angeln?‹ Langes Schweigen. Schließlich sagte einer: ›Sind 'n paar Forellen hier.‹ Noch mehr Schweigen. ›Einer da drüben beim Felsens sagte er. ›Wirklich?‹ - ›Ich hab ihn vor 'ner Stunde gesehen‹ sagte er. Wieder langes Schweigen. ›Großes Ding.‹«
    »Hast du den gefangen?« fragte sie.
    »Oh, nein. Die Forelle war ein alter Bekannter von ihnen. Du weißt ja, wie das ist; du warst doch schon in
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