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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
Autoren: Kuehnemann Nadine
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Schlägen und Tritten. Immer in Handschellen und Fußketten.  Wann die Verhöre stattfanden wusste niemand vorher, auch nachts wurden sie aus der Zelle geholt. Und tagsüber eine Folter besonderer Art. Zwischen 7.30 und 12 Uhr mussten die Häftlinge hockend auf einem bestimmten Bereich der Zelle verbringen, „keine Gespräche, kein Aufstehen, keine Abwechslung, jegliche Verstöße wurden sofort geahndet, mit Schlägen“.
     
    Thomsen ist verzweifelt, „es ist die Hoffnungslosigkeit, die einen peinigt und von der Botschaft kein Wort“. Das erbost ihn immer noch. „Alle anderen Botschaften haben es besser hingekriegt“.  Prominente Zellengenossen trifft er hier: Der Friedensnobelpreisträger Liu Xiao Bo teilt mit ihm die Vier-Mann-Zelle bis zu seiner Verurteilung. „Das scheint heute keinen mehr zu interessieren“, meint Thomsen und glaubt,dass das was der prominente Häftling ihm gesagt hatte, offenbar zutrifft. „Dein Land wird sich niemals für Dich einsetzen und die wirtschaftlichen Interessen mit China gefährden“. Für Thomsen auch der Grund, warum die Deutsche Botschaft sich nicht so für ihn einsetzte, wie er es nötig gewesen wäre. Sein Credo: „Die befürchteten, dass das mit mir so etwas wie der Fall Marco in der Türkei werden würde. Das wollten die nicht, bloß kein Aufsehen“. Was Thomsen nun erlebte liest sich im psychiatrischen Gutachten nach der Abschiebung so: „ Die Wärter hätten Versuche und vermeintliche Späße mit den Gefangenen durchgeführt.“, heißt es in den Aufzeichnungen des Psychologen, der an der Authenzität der Schilderungen keine Zweifel hatte.  „So hätten die Wärter gewettet, wie lange es wohl dauern würde, bis die Gefangenen ihren eigenen Urin, trinken würden. 21 Stunden habe es gedauert, dann hätten die Gefangenen angefangen, dies zutun.“ Die Diagnose ist eindeutig: „schwere posttraumatische Belastungsstörung, leichtgradige depressiveEpisode, Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung.Und weiter heißt es im Bericht des Gutachters: „Herr Thomsen berichtete so, als würde er einen neutralen, emotionslosen Ablauf beschreiben. Dies kontrastierte in gravierender und eindrücklicher Weise mit den Inhalten des Berichts. Zusammen mit der hageren Gestalt des Herrn Thomsen, dessen ausgeprägte Gesichtsblässe und den tiefen Ringen unter den Augen entstand eine Atmosphäre während des Berichts, in der das Grauen quasi mit Händen zu greifen war.“
    Dann kam der Tag, der Thomsen immer verfolgen wird. Er musste die Hinrichtung eines Jungen mit ansehen. „Wenn die Angehörigen es bezahlen, kriegen die eine Giftspritze, wenn nicht, werden sie erschossen“. Oft müssen die Delinquenten Monate warten, manchmal werden sie sofort nach der Urteilsverkündung hingerichtet. Den Grund dafür, meint Thomsen zu wissen: „Organentnahme. Wenn etwas gerade passt, wird hingerichtet, manchmal auch erst das Urteil gesprochen, wenn ein bestimmtes Organ gebraucht wird“. Die Hinrichtung des kaum 17-jährigen Jungen, der im Anblick der Todespritsche hysterisch um sich schlägt, bevor er darauf festgeschnallt wird,  sollte mit der Spritze erfolgen. Doch eine Nadel brach ab. Statt eine neue zusetzen, („das war den Wärtern zu teuer“) wurde der Jungen bei vollem Bewusstsein mit Knüppeln tot geschlagen.„Was immer dieser Junge verbrochen haben mochte, so hatte niemand verdient zu sterben – allein, ohne Beistand, ohne Würde, abgeschlachtet wie Vieh“. Thomsen versteinerte innerlich, „ich fühlte gar nichts mehr“.  Dann folgten Wochen mit „verschärfter“ Folter. „Beim Anblick von Spritzbesteck und elektrischen Kabeln wurde mir klar, dass dieses Verhör anders werden würde“, berichtet er , und erinnert sich nur noch bruchstückhaft: „Was ich denen gesagt habe, weiß ich nicht mehr, nur erwachte ich nach diesen Verhören meist dreckig, blutverschmiert und nach Urin stinkend auf dem Fußboden meiner Zelle“.  Er überstand auch das und wurde schließlich zurück in ein normales Gefängnis verlegt, zu einer geringen Freiheitsstrafe wegen Betrugs verurteilt und im August in ein Flugzeug nach Deutschland gesteckt. Wodurch der Sinneswandel der chinesischen Behörden kam, sei ihm bis heute unklar. In Deutschland wurde er zu zwei Bewährungsstrafen verurteilt, die chinesische Haft wirkte sich strafmildernd aus. Was bleibt, ist die Aussicht auf Rache, Rache an der Deutschen Botschaft, der er die Schuld gibt. Mit einer Entschädigungsklage will Thomsen
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