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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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langes Schweigen bedeutet, dass Ihr Euch meine Worte zu Herzen nehmt. Ich habe gehört, dass Ihr die strategische Kriegführung nach Larisan studiert habt. Demnach brauche ich Euch nicht zu sagen, wie begnadet Lord Otis in diesen Dingen ist.«
    Verwirrt blieb Levarda stehen. Das Studium der Kriegskunst war vor vielen Jahren in ihrem Land verboten worden. Ihre Mutter musste Lady Tibana davon erzählt haben, denn sie war die Einzige, die davon wusste. Was aber hatte ein Buch der Mintranerin Larisan mit Lord Otis zu tun?
    »Wie meint Ihr das?«, fragte sie unsicher.
    Lady Tibana kniff die Augen zusammen und musterte Levarda. Als sie feststellte, dass sie tatsächlich nicht die geringste Ahnung hatte, seufzte sie.
    »Lord Otis ist Larisans Enkel. Ich nahm an, Ihr wüsstet es. So ist dies nicht der wahre Grund für Eure Entscheidung, meine Tochter zu begleiten?« Sie beobachtete Levarda prüfend, die die Lippen aufeinanderpresste.
    Was dachte Tibana von ihr? Nein, davon hatte sie nichts gewusst. Woher auch? In Mintra sprach niemand über die Welt außerhalb der Grenzen. Die Menschen, die Mintra verließen, kehrten nicht zurück. Larisan hatte Mintra verlassen, und nur durch Zufall war Levarda eines Tages in einer Hütte in den Besitz des Buches gelangt.
    Mit zügigem Schritt durchmaß Lady Tibana den Garten, sodass Levarda nichts anderes übrigblieb, als ihr schweigend zu folgen. Rückte diese neue Erkenntnis alles in ein anderes Licht? Larisans Enkel in ihrem Albtraum – als ihr Mörder? Sie brauchte Ruhe, um über alles nachzudenken.
    Abrupt blieb Lady Tibana stehen.
    »Also gut, nun wisst Ihr es. Nutzt das Wissen weise und zieht Euren Vorteil daraus.«
    »Wenn Ihr erlaubt, würde ich mich bis zum Abend gern in meine Gemächer zurückziehen.«
    »Es sei Euch erlaubt. Vergesst nicht, Euch in den Regeln des Anstandes und der Höflichkeit zu üben. Ich werde Lady Eila in Eure Gemächer schicken. Sie ist die Begabteste, was diese Dinge betrifft, und sie ist geduldig.«
    »So sei es.« Ergeben verneigte sich Levarda.
     
    An diesem Abend trug Levarda ihr blaues Kleid zu Ehren des Luftelements. Es sollte ihr die Leichtigkeit verleihen, die ihr bei dem Gedanken an ein erneutes Fest so schmerzlich fehlte. Sie hatte sich gewappnet, die reine Quelle in ihrem Innersten besucht und Kraft geschöpft. Ihre Angst und die Bilder ihres Albtraums waren während der Meditation beständig durch ihren Körper gezogen, so übte sie sich darin, diese zu kontrollieren. Das hatte sie sich aus den Büchern von Larisan angeeignet, der einzigen Kriegerin in ihrem Volk, von der sie wusste. Wissen war die Macht, seine Feinde zu besiegen. Sie würde sich mehr Wissen über Lord Otis aneignen, ihn beobachten, seine Schwachpunkte kennenlernen. Wenn es zu einer Konfrontation zwischen ihnen kam, musste sie gewappnet sein.
     
    Der Abend verlief ähnlich wie der vorherige. Männer und Frauen trugen andere Kleider, nur die Garde erschien in den Uniformen wie am Tag zuvor. Allerdings bemerkte Levarda diesmal heimlich getauschte Blicke zwischen Hofdamen und Soldaten.
    Sie bemühte sich, höflich und interessiert den Gesprächen zu folgen. Am Nachmittag hatte Lady Eila zwei Stunden damit verbracht, ihr alles zu erzählen, was an dem gestrigen Abend geschehen war. Dabei kreisten ihre Gedanken schwärmerisch immer wieder abwechselnd um Lemar und Lord Otis. Aufmerksamer als je zuvor folgte Levarda ihren Worten.
    Am heutigen Abend entfielen die Ansprachen, sodass man nach dem Essen direkt zum Vergnügen überging. Erneut eröffnete der Hausherr mit seiner Gemahlin den Tanz, und danach forderte Lord Otis die Frau des Gastgebers auf. Zum Glück blieb Levarda ein zweiter Tanz mit ihrem Onkel erspart. Sie wusste nicht, ob es an ihrem Luftkleid lag oder an den gelockerten Regeln für diesen Abend – es fiel ihr jedenfalls leichter, unbemerkt in die Festgesellschaft einzutauchen.
    Lord Otis ignorierte sie völlig, so blieb Levarda genügend Zeit für ihre Beobachtungen. Sie stellte fest, dass keine Frau am Hofe seine Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, ausgenommen Lady Tibana und Lady Smira, denen gegenüber er sich ausgesprochen zuvorkommend verhielt. Sein kühler Gesichtsausdruck ließ sie vermuten, dass sein Benehmen eher auf Anstand als auf echtem Interesse beruhte. Vielleicht wollte er sich ja nur über die Verhältnisse am Hof informieren.
    Sie wagte sich nicht in seine Nähe, nahm aber wahr, dass sein Offizier Egris und er sich oft abseits der Menge
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