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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman
Autoren: Jakob Ejersbob
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muss mich am Schreibtisch festhalten.
    »Wow«, sage ich.
    »Spürst du das bhangi ?«
    »Ich spüre die Erde nicht mehr«, antworte ich. Marcus grinst. Ich höre ein Geräusch und drehe mich nervös um, wobei ich versuche, die Zigarette zu verbergen.
    »Es ist Mika«, sagt Marcus. Der finnische Bursche kommt mit einer Dose Carlsberg in der Hand in den Raum.
    »Pr-pr-pr-prost«, sagt er und grinst.
    »Du darfst kein Bier nehmen«, sagt Marcus. Mika reicht mir die Dose, während er mich kühl betrachtet. Was soll ich machen? Ich nehme einen Schluck. Rauche meine Zigarette. Mika nimmt mir die Dose aus der Hand und geht hinaus. Ich richte mich unsicher auf. Drücke die Zigarette in einem Aschenbecher aus.
    »Ich gehe raus«, sage ich.
    »Ist dir übel?«
    »Ich gehe raus«, sage ich noch einmal und schwanke durch die Tür, über den Boden und die Schwelle. Meine Beine sind aus Gummi, und der Kopf will nicht oben bleiben. Ich lehne mich an den Zaun, der das Gelände umgibt, und flechte meine Finger in die Maschen. Atme tief durch, lasse die Luft durch meine Eingeweide fließen und erbreche mich auf den Rasen. Marcus kommt heraus.
    »Bist du okay?«, erkundigt er sich.
    »Ja.«
    »Warte hier«, sagt er.
    »Du sollst niemanden holen.«
    »Ich hole dir eine Cola«, erwidert er. Ich bin okay, nur sehr müde. Was soll ich machen? Er kommt mit der Cola zurück. Ich nicke und trinke. Ich will niemandem etwas erklären. Ich hebe zum Abschied die Hand und gehe in Richtung von Vaters Peugeot, der weiß in der Dunkelheit aufleuchtet. Die Erwachsenen sind noch immer bei der Sauna auf der Rückseite des Hauses. Glücklicherweise ist der Wagen offen. Ich krieche auf den Rücksitz und schließe die Tür.
    Es änderte sich nicht viel, als Vater aus Singapur zurückkam. Er arbeitete noch immer für Mærsk, jetzt allerdings an der Esplanade in Kopenhagen. Er stand auf, bevor ich aufwachte, und kam nach Hause, wenn ich ins Bett musste. Eines Abends hörte ich Mutter: »Aber er braucht dich hier. Ich kann nicht sein Vater sein. Ich habe keine Ahnung, wo er sich herumtreibt und was er tut.«
    »Stellt er irgendetwas Verbotenes an?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube schon. Ich bin sicher, dass er angefangen hat zu rauchen, und manchmal riechen seine Sachen nach Benzin. Ich weiß weder, ob es ihm gut geht, noch, was in der Schule läuft. Er redet nicht darüber. Ich fürchte, er wird zum Außenseiter.«
    »Er wird schon klarkommen«, erwidert Vater. Ich weiß nicht recht. Ein paar von uns sind durchaus Außenseiter. Wir tragen keine Polohemden, wir laufen in Arbeitsstiefeln mit Stahlkappen herum. Wir basteln an einer alten Puch Maxi.
    Und obwohl John Travolta in Saturday Night Fever eine coole Nummer abliefert, können wir den Kastratengesang der Bee Gees nicht leiden und ziehen Pink Floyd vor.
    »Was nützt uns deine Rückkehr, wenn du doch die ganze Zeit nur arbeitest?«, ruft Mutter aus der Küche. Ich stehe auf und gehe zu ihnen ins Wohnzimmer. Sie sind ruhig – und tun so, als wäre nichts gewesen.
    »Schläfst du noch nicht?«, fragt Mutter.
    »Ihr macht so’n Krach«, antworte ich und gehe auf die Toilette.
    »Entschuldigung«, sagt Vater.
    »Du bist zu laut, Niels«, sagt Mutter zu ihm.
    »Ich bin auch nicht zufrieden in der Zentrale«, erklärt Vater. »Die ganze Zeit dieser Leistungs- und Anpassungsdruck.«
    »Dann such dir doch Arbeit in einer kleineren Firma. Wir bekommen ein Kind, Niels. Endlich. Dafür haben die bei Mærsk überhaupt kein Verständnis. Wir Frauen haben zu gehorchen, hübsch auszusehen und die Hemden ihrer Männer faltenfrei zu bügeln.«
    »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, sagt Vater. Ich gehe zurück in mein Zimmer.
    »Gute Nacht«, sagt Mutter.
    Und so ging es weiter. Eines Abends hatte Mutter Nachtwache, und Vater war bei einem Meeting in Los Angeles. Ich stand um ein Uhr nachts mit einem Freund an einer Texaco-Tankstelle. Er hielt die Tankpistole an eine leere Limonadenflasche, und ich sprang auf dem Benzinschlauch herum; durch den geringen Unterdruck, den mein Gewicht erzeugte, wurde Benzin aus dem Schlauch gepumpt, mit dem wir die Flasche füllen konnten. An der nächsten Kreuzung schütteten wir das Benzin auf die Fahrbahn und warteten einen Augenblick. Sobald sich Autoscheinwerfer näherten, zündeten wir das Benzin an – blockierende Bremsen, kreischende Reifen, seitlicher Aufprall auf eine Straßenlaterne. Wir rannten davon. Am nächsten Tag ist in den Nachrichten von einem üblen
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