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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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bestimmt wird. So kann man aus der Geschwindigkeit der sichtbaren Materie Rückschlüsse darauf ziehen, wie viel Masse innerhalb der Galaxie vorhanden ist und wo sie sich aufhält. Bei dieser Analyse kam man Anfang der 1970er Jahre zu einem deprimierenden Schluss: Objekte in den Außenbereichen der Galaxien, und zwar aller Galaxien (es gibt, wie oben erwähnt, sehr viele davon), bewegen sich viel zu schnell um das Zentrum herum, so schnell, dass sie, wie das Auto aus der Kurve, aus der Galaxie geschleudert würden – gäbe es nicht irgendetwas Schweres, aber Unsichtbares, das sie zurückhält: Dunkle Materie.
    Mittlerweile ist Dunkle Materie an vielen verschiedenen Orten im Weltall «nachgewiesen» worden. Man fand sie in unserer Milchstraße, in elliptischen Galaxien, Zwerggalaxien, in Galaxienhaufen und in den noch größeren Superhaufen. Nirgendwo laufen die Dinge so ab, wie sie nach unserer Vorstellung ablaufen sollten, wenn es nur Sichtbares gäbe. Und neuerdings spekulieren einige auch über Dunkle Materie in unserer unmittelbaren Umgebung: Die Pioneer-Weltraumsonden Nr. 10 und 11, deren Hauptaufgabe darin bestand, die großen Planeten Jupiter und Saturn auszuspionieren, werden durch eine ominöse Kraft in Richtung Sonne gezogen und demzufolge immer langsamer. Das Phänomen ist bis heute ungeklärt; die möglichen Erklärungen reichen von einem Leck im Tank bis eben zur Dunklen Materie, die mit aller Macht an dem bedauernswerten Raumschiff zerrt.
    Aber worum handelt es sich bei der Dunklen Materie? Ist dieses seltsame Zeug gefährlich? Kann es explodieren oder kann man es vielleicht essen? Auf besonders elegante Art und Weise wird man das Problem los, wenn man die Existenz Dunkler Materie leugnet und die oben beschriebenen Effekte erklärt, indem man kurzerhand das Gravitationsgesetz ändert. Alle Erscheinungen, die auf Dunkle Materie hindeuten, tun dies nur deswegen, weil wir von der Allgemeingültigkeit des Gravitationsgesetzes ausgehen. Vielleicht haben wir aber auch schlicht eine falsche Vorstellung von der Gravitation. Das ist die Grundidee hinter der Theorie von der «Modified Newtonian Dynamics», abgekürzt MOND, und artverwandten Gedankengebäuden. Im MOND-Szenario, vorgeschlagen im Jahr 1983 vom Kosmologen Mordehai Milgrom, verhält sich die Schwerkraft nicht mehr so kompromisslos, wie man sie von zu Hause kennt, sondern verändert ihre Wirkungsweise, wenn man Dinge betrachtet, die sehr weit voneinander entfernt sind, was im Universum recht häufig vorkommt. So kann MOND zum Beispiel die Rotationskurven von Galaxien erklären, wofür man ansonsten größere Mengen Dunkler Materie benötigt. Allerdings funktioniert das bei weitem nicht überall und wirft eine Reihe zusätzlicher Probleme auf. Bisher hat niemand eine abgeschlossene, modifizierte Gravitationstheorie erfunden, die man sowohl im Schlafzimmer, im Wohnzimmer als auch in der Küche des Weltalls ohne Schwierigkeiten einsetzen könnte. Darum geht die Suche nach der Dunklen Materie weiter.
    Die Theorien zu ihrer Natur teilen sich in zwei Lager: Zum einen könnte es sich um schwere, aber nicht oder nur schwach leuchtende Dinge handeln, die aus denselben Bausteinen bestehen wie alles, was wir sonst so kennen. Man nennt dies «baryonische» Dunkle Materie, weil ihre Masse zum Großteil in den →Elementarteilchen Proton und Neutron steckt, die man auch Baryonen nennt. Gute Kandidaten für solche großen dunklen Körper sind die schon erwähnten Weißen Zwerge, außerdem die sogenannten Braunen Zwerge, von denen später noch die Rede sein wird, und Schwarze Löcher. Zusammengefasst werden diese dunklen Schatten oft unter der Abkürzung MACHO: «massive compact halo objects».
    Zum anderen könnte die Dunkle Materie auch aus einer großen, sogar sehr großen Menge von Elementarteilchen bestehen, die nur schwach mit dem Rest der Welt wechselwirken und autistisch durch Mensch, Erde und Universum hindurchfliegen. Die ersten Theorien in diese Richtung gingen zunächst von «heißen», also energiereichen Teilchen aus. Der beste Kandidat dafür war lange Zeit das Neutrino, ein geistartiges Teilchen, das zum Beispiel in Atomkraftwerken oder bei Sternexplosionen freigesetzt wird und für dessen Nachweis man immerhin mehr als 25 Jahre brauchte. Mittlerweile jedoch scheint klar zu sein, dass die Masse des Neutrinos zu gering ist, um das Phänomen der Dunklen Materie zu erklären. Erfolgversprechender sind Modelle, die mit «kalter» Dunkler Materie arbeiten.
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