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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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»Überbevölkerung« berichten. Aber dokumentieren sie wirklich Überbevölkerung? Nein, sie zeigen Armut! Armut und Überbevölkerung sind jedoch keinesfalls das gleiche.
    In den Vereinigten Staaten leben mehr Menschen pro Quadratkilometer als in Afrika. Das westliche Deutschland ist ebenso dicht besiedelt wie Indien, Italien dichter als Pakistan. Krasse Überbevölkerung herrscht in dem nicht gerade bettelarmen Königreich Monaco. 1 Der Blick auf eine Bevölkerungskarte zeigt, daß Ballungszentren häufig auch Wohlstandszentren sind: Japan, Mitteleuropa, die Küstenstreifen der USA. Extrem dicht besiedelte Landstriche der Erde vollzogen in den vergangenen Jahrzehnten die größten wirtschaftlichen Aufschwünge: Hongkong, Taiwan, Singapur. Dagegen leben in großen Ländern wie Mauretanien und dem Tschad jeweils weniger als ein Zehntel der Bevölkerung Deutschlands - doch von Wohlstand keine Spur.
    Die allgemeine Konzentration auf das Thema »zu viele Menschen« verstellt manchmal den Blick auf ein anderes wichtiges Problem: Es gibt immer noch zuwenig Demokratie, zuwenig Chancengleichheit und zuwenig Marktwirtschaft auf der Welt. Die meisten Armen sind arm, weil sie nie auf eine Schule gehen und einen Beruf erlernen durften, oder weil sie kein Land erwerben können, um es zu bebauen. Dies kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel schmarotzende Oligarchien, die wie Raubritter ihr eigenes Land ausplündern und - statt Gewinne zu investieren - ihr Vermögen ins Ausland schaffen. Oder aber Bürokratien, die mit staatlicher Verordnungswut, überzogenen Steuern und Zöllen das Wirtschaftsleben ersticken und allgemeine Lethargie erzeugen. In einigen der ärmsten Länder haben beide Spezies den Staat gemeinsam im Griff. Eines ist sicher: Die schiere Zahl der Menschen läßt keinen direkten Rückschluß auf den Grad des Wohlstandes zu.
    In den Horrorszenarien über eine drohende »Bevölkerungsexplosion« bleibt oft unerwähnt, daß sich Europäer (und die europäischen Einwanderer in Nordamerika, Australien und im asiatischen Teil Rußlands) zwischen 1800 und 1930 doppelt so schnell vermehrten wie die anderen Völker der Erde. Die Bevölkerungswachstumsrate Afrikas am Ende des 20. Jahrhunderts ist niedriger als die Nordamerikas in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Niemand würde behaupten, daß Amerika damals unter Überbevölkerung litt. Das Problem »Überbevölkerung« drang erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins allgemeine Bewußtsein vor, als die Zahl der nicht europäischen Menschen anstieg. 2
    Dennoch ist es sicherlich besser für die Natur und auch für die Menschen, wenn Familien weltweit weniger Kinder haben und diese besser ernähren und ausbilden können. Dies liegt glücklicherweise derzeit im globalen Trend. Wie unter dem Punkt »Die Weltbevölkerung wächst unaufhörlich weiter« (Seite 438) zu Beginn dieses Kapitels erläutert wurde, flacht die Bevölkerungskurve ab. Die Menschheit wird nach den neuesten Erhebungen der UN-Experten noch einige Jahrzehnte anwachsen, bis sie zirka im Jahr 2050 zahlenmäßig ihren Höchststand erreicht haben wird (mittlere Schätzung: 9,4 Milliarden). Dann soll die Zahl der Erdenbürger wieder sinken. Zwischen 1990 und 1995 fiel die Wachstumsrate der Weltbevölkerung auf den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten: 1,48 Prozent. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau lag Mitte der neunziger Jahre unter drei (2,96). Das ist die geringste Weltgeburtenrate in der Geschichte und gibt Anlaß zur Hoffnung. Die »Bevölkerungsbombe« scheint derzeit entschärft zu sein.
    Woran das eigentlich liegt, weiß niemand ganz genau. Theorien der Vergangenheit wurden durch die Praxis widerlegt. Früher gingen viele Demographen davon aus, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen ökonomischer Besserstellung und geringerer Kinderzahl gebe. Denn - so die Theorie - Arme wünschen sich viele Kinder, damit wenigstens einige überleben und sie im Alter ernähren können. Dies hat sich nicht bestätigt. Die Fruchtbarkeit sank während der letzten dreißig Jahre auch in Ländern mit weit verbreiteter Armut und Analphabetentum. 3 Der Schritt zur Familienplanung scheint von vielen Faktoren abhängig zu sein: kulturellen und religiösen Werten, dem Status der Frau in der Gesellschaft, der Zugänglichkeit von Verhütungsmitteln und natürlich auch der ökonomischen Situation.
    Die große Aufgabe des kommenden halben Jahrhunderts wird darin bestehen, allen ein menschenwürdiges Leben zu

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