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Lewis, CS - Narnia 1

Lewis, CS - Narnia 1

Titel: Lewis, CS - Narnia 1
Autoren: Das Wunder von Narnia
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wenn in einem Puppenspiel ein Dämon durch eine verborgene Tür erscheint. Sie waren überhaupt nicht in dem leerstehenden Gebäude, sie waren in Digorys Haus gelandet, und zwar in dem geheimen Arbeitszimmer des Onkels. Beide Kinder stießen einen Schrei aus, als ihnen klarwurde, daß sie sich geirrt hatten. Sie wußten alle beide, daß sie sich eigentlich darüber hätten im klaren sein müssen, daß sie noch längst nicht weit genug gegangen waren.
    Onkel Andrew war sehr groß und mager. Er hatte ein langes, glattrasiertes Gesicht mit einer sehr spitzen Nase und funkelnden Augen, gekrönt von einem wirren grauen Haarbusch.
    Digory war sprachlos, denn Onkel Andrew sah tausendmal unheimlicher aus als jemals zuvor. Polly hatte noch keine so große Angst, was sich allerdings bald ändern sollte. Denn als allererstes ging Onkel Andrew zur Tür und drehte den Schlüssel um. Dann wandte er sich zu den Kindern, starrte sie durchdringend an und lächelte, daß alle Zähne blitzten.
    »So!« sagte er. »Diesmal kann mir deine idiotische Tante nicht in die Quere kommen.«
    Er benahm sich total anders als die Erwachsenen sonst.
    Polly schlug das Herz bis zum Hals. Gemeinsam wichen sie zurück zu der kleinen Tür, durch die sie eben hereingekommen waren. Doch Onkel Andrew war schneller. Er ging an ihnen vorbei, schloß auch diese Tür und baute sich davor auf. Dann rieb er sich die Hände und ließ die Gelenke knacken. Er hatte vollkommen weiße Hände mit sehr langen Fingern.
    »Ich bin entzückt über euren Besuch«, sagte er.
    »Gerade was ich brauche–zwei Kinder.«
    »Bitte, Mr. Ketterley«, sagte Polly, »es ist fast Mittag, und ich muß heim zum Essen. Würden Sie uns bitte raus lassen?«
    »Noch nicht. Diese gute Gelegenheit darf ich mir nicht entgehen lassen. Ich wollte zwei Kinder. Ich stecke nämlich mitten in einem bedeutsamen Experiment. Mit dem Meerschweinchen schien es zu funktionieren, aber ein Meerschweinchen kann ja nichts erzählen. Und erklären, wie es wieder zurückfindet, das kann man ihm auch nicht.«
    »Hör mal, Onkel Andrew«, sagte Digory, »jetzt ist wirklich Zeit zum Mittagessen, und man wird gleich nach uns suchen. Du mußt uns gehen lassen.«
    »Muß ich?« fragte Onkel Andrew.
    Digory und Polly warfen sich einen Blick zu. Sie wagten es nicht, etwas zu sagen, doch ihr Blick hieß: »Wie schrecklich!« und: »Wir müssen ihn unbedingt bei guter Laune halten.«
    »Wenn Sie uns jetzt essen gehen lassen, können wir ja anschließend wiederkommen«, schlug Polly vor.
    »Woher soll ich wissen, ob ihr dann wiederkommt?«
    Onkel Andrew lächelte verschlagen. Doch dann schien er sich anders zu besinnen.
    »Tja«, meinte er, »wenn ihr absolut gehen müßt, dann muß ich euch eben gehen lassen. Ich kann nicht erwarten, daß ihr Freude daran habt, mit so einem alten Esel wie mir zu reden.« Er seufzte und fuhrt fort: »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie einsam ich manchmal bin. Aber das macht nichts. Geht essen. Doch zuvor muß ich euch noch ein Geschenk machen. Es passiert ja schließlich nicht alle Tage, daß mich ein kleines Mädchen hier in meinem schäbigen Arbeitszimmer besucht–und erst recht keine so hübsche Dame wie du.«
    Polly bekam langsam den Eindruck, Digorys Onkel sei vielleicht doch nicht übergeschnappt.
    »Hättest du gern einen Ring, mein Schätzchen?« fragte Onkel Andrew.
    »So einen gelben oder so einen grünen?« erkundigte sich Polly. »Wie schön!«
    »Die grünen kann ich leider nicht weggeben«, entgegnete Onkel Andrew. »Aber von den gelben schenke ich dir gern einen. Komm her und probier einen an!«
    Polly hatte jetzt fast gar keine Angst mehr. Außerdem war sie inzwischen ganz sicher, daß der alte Herr nicht übergeschnappt sein konnte. Und eigenartigerweise besaßen die funkelnden Ringe eine starke Anziehungskraft.
    Sie ging näher.
    »Oh!« rief sie. »Hier wird das Summen lauter! Mir scheint fast, als wären es die Ringe, die das Geräusch machen.«
    »Das bildest du dir nur ein, mein Schätzchen«, widersprach Onkel Andrew und lachte. Sein Lachen klang ganz natürlich, aber Digory hatte gesehen, daß in seinem Gesicht Ungeduld lag, oder fast so etwas wie Gier.
    »Polly! Du spinnst!« rief er. »Rühr sie nicht an!«
    Doch es war zu spät. In diesem Moment streckte Polly die Hand aus und berührte einen gelben Ring. Und auf der Stelle, geräuschlos und ohne jegliche Warnung, war Polly weg. Digory und sein Onkel waren ganz allein im Zimmer.
     
     

DIGORY UND SEIN
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