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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht
Autoren: Alexa Hennig Lange
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raus. Was da alles passieren kann. Diese ganzen üblen Typen, die da draußen herumlaufen und nur darauf warten, dass ein junges, hilfloses Mädchen aus dem Bus steigt. Oder so.«
    Ich schlucke noch mal, weil ich den Eindruck habe, dass Alinas Mutter mir eigentlich damit sagen will, dass sie es unverantwortlich findet, dass Mama mich noch mal rausgelassen hat. Darum sage ich: »Meine Mutter wollte mich eigentlich auch lieber zu Hause behalten, aber mein Freund hat mich schnell rumgebracht.«
    »Wie? Dein Freund? Der sitzt doch oben bei Alina in der Stube.«
    »Hä?«
    Leute, für einen Moment habe ich die so genannte Contenance verloren.
    Ich wollte natürlich sagen: »Wie bitte?«
    Alinas Mutter bewegt sich mit ihren beiden Hündchen auf dem Arm zur Seite, sodass ich endlich eintreten kann. Sie schließt hinter mir die Tür und sofort höre ich Blas-Marschmusik aus der Wohnstube rüberschallen. Passend dazu sind Alinas Eltern eingerichtet wie ein Möbelhaus für Forsthauseinrichtung. Jedes Fleckchen ist bedeckt mit Regalen, in denen kleine Jägerfigürchen und Rehkitzchen herumstehen. Dafür keine Bücher. Aber so künstliche Blumensträuße aus Plastik. Alinas Mutter meint: »Ach, die sind so schön pflegeleicht.« Und Leute, ihr werdet es mir nicht glauben: Die haben ihr Sofa sogar mit einer durchsichtigen Folie bezogen, damit sich die Polster nicht abnutzen. Ich frage mich, für welchen speziellen Termin sich die Familie ihre Einrichtung eigentlich wie neu erhalten will. Für die Begräbnisfeierlichkeiten, vielleicht. Wie auch immer. Mein Geschmack ist das nicht. Bei Alina zu Hause komme ich mir immer so vor, als würde ich einen Tatort besichtigen, an dem gerade ein schlimmer Mord verübt wurde. Hier weht kein Lüftchen. Nichts darf man berühren. Irgendwie ist es wie tot.
    Von oben aus Alinas Zimmer dringt nun auch noch ihre Lieblingsmusik: Tokio Hotel. Ich greife also direkt nach dem geschmiedeten Treppengeländer und beeile mich raufzukommen. Das Ganze kann nur bedeuten, dass Johannes hier ist. Und wenn ich Glück oder Pech habe - je nachdem, wie eitel ich gerade bin -, erwische ich die beiden in flagranti. Also: knutschenderweise. Dann könnte ich total empört sagen: »Okay, Johannes, eigentlich wollte ich mich für dich von Arthur trennen. Aber nun erkenne ich dein wahres Gesicht. Du willst nur rummachen. Mehr ist da wohl nicht.« Sehr praktisch. Natürlich würde mich das trotzdem total verletzen, wenn er so schnell bei Alina Trost sucht, aber dann müsste ich ihn nicht verlassen wie der letzte Fiesling und mir dabei wie ein Arsch vorkommen.
    Ich nicke Alinas Mutti unter der Föhnhaube zu und verspreche: »Ich bleibe auch nicht lange.«
    Sie zieht die Augenbrauen hoch und stapft dann in ihren Puschel-Puschen in Richtung Wohnzimmer davon. Ich renne die Treppe rauf und klopfe - ehe ich michs versehe - an Alinas Zimmertür, die unschwer an dem riesigen Tokio-Hotel-Poster zu erkennen ist. Es dauert einen Moment, bis ich ihre Stimme höre, die ruft: »Was ist?«
    Vorsichtig drücke ich die Klinke runter. Innerlich vibriere ich, und ich versuche, mich zusammenzureißen und mich auf das Schlimmste vorzubereiten. Also: Johannes und Alina in enger Vertrautheit verschlungen. Leute! Leider hätte ich nicht gedacht, dass es für mich so schlimm wird! Alina und Johannes hocken bei Festbeleuchtung wie zwei Trauerklöße auf Alinas hässlichem Ledersofa, das sie von ihren Eltern zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Johannes hat total verquollene Augen und schnieft, was das Zeug hält. Auf dem hässlichen Beistelltisch steht so eine Kleenex-Vorratspackung, daneben ein Haufen zerknuddelter Taschentücher. Alina tätschelt Johannes total verständnisvoll die Schulter und macht mütterliche Beruhigungsgeräusche: »Pscht. Pscht. Ist ja gut.«
    Ich quetsche mich ins Zimmer mit den Dachschrägen rein und die beiden starren mich wie versteinert an. Schnell schließe ich die Tür hinter mir und sage: »Hi, na.«
    Und die beiden sagen wie aus einem Munde: »Was willst du denn hier?«
    »Äh, ja.«
    Ich drücke mich an der postertapezierten Wand entlang, bis zum Kleiderschrank. Gegen den lehne ich mich dann und weiß mal wieder nicht, was ich sagen soll. Also frage ich: »Und? Was macht Johannes hier?«
    Alina holt tief Luft und stellt ihre Tokio-Musik per Fernsteuerung leiser. Und als sei sie Johannes’ Pressesprecherin, meint sie mit ganz erwachsenem Ton, wobei sie sich schnell eine Zigarette anzündet und die noch nicht
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