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Lesereise Tschechien

Lesereise Tschechien

Titel: Lesereise Tschechien
Autoren: Klaus Brill
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Autos, ein Anflug von Beschaulichkeit ist noch da. Mit seinen rund hundertdreiundsechzigtausenddreihundert Einwohnern hat Pilsen offenbar jene glückliche Größe und Struktur, die es vor dem Angriff der internationalen Markenboutiquen verschont und dem Einzelhandel jedenfalls im Zentrum eine mittelständische Struktur belässt. Sonst wären hier kaum noch ein Fahrradladen, ein Porzellangeschäft, Buchhandlungen, Blumen- und Kleiderläden, ein kleines Reisebüro, ein Naturkostgeschäft und mehrere Tabak- und Zeitschriftenhändler zu finden.
    Auch mit Kneipen, Cafés, Musik-Clubs und Restaurants ist das historische Geviert im Zentrum bestens bestückt. Am Abend tummeln sich junge Leute in den Straßen, zum guten Teil wohl Studenten, von denen es hier um die neunzehntausend gibt. Im Schein der Tischlampe an einem bequemen Platz ein ruhiges Mahl einzunehmen und dazu ein Pilsner zu trinken, ist freilich nicht so einfach. Das Bier gibt es natürlich überall, aber bei einem privaten Feldversuch war vor einiger Zeit kein einziges Lokal zu finden, in dem nicht eine übel dröhnende Musik uns den Dämmerschoppen verleidet hätte. Auch in den historischen Gaststätten, der Fuhrmannskneipe »U Salzmannu« zum Beispiel oder der ans Brauereimuseum angegliederten Schenke »Na Parkanu«, sind heutzutage Flachbildschirme an den Wänden installiert, die das Gedöns irgendeines sportlichen Wettkampfs auf glatt gelackte, seelenlose Brauereimöbel werfen.
    Auch in Pilsen gibt es offenbar kaum noch ein gewöhnliches, nach alter Art geführtes Lokal, in dem man einfach nur beim Bier zusammenhockt und schwatzt, ohne irgendein Medium ertragen zu müssen. Dergleichen scheint heute ebenso museumsreif zu sein wie jene Kneipenszene aus den dreißiger Jahren, die im Brauereimuseum mit Kleiderpuppen, Holzofen und Billardtisch nachgestellt ist. Warum dann nicht gleich zu McDonald’s abschieben, wo doch die Filiale in Pilsen bei aller Hundsgewöhnlichkeit mit einer Inschrift und alten Fotos auf eine Besonderheit hinweisen kann? Der Amerikaner Ray Kroc, der die Fast-Food-Kette zum Welterfolg führte, wurde zwar bei Chicago geboren, seine Vorfahren stammten aber aus einem Dorf bei Pilsen.
    Auch für anspruchsvollere kulturhistorische Erkundungen bietet Pilsen Ansätze. Die Stadt hat eine der größten Synagogen der Welt, einen hundertzehnjährigen Bau im maurisch-romanischen Stil – die vormals große jüdische Gemeinschaft von mehr als dreitausendzweihundert Menschen wurde freilich durch den Naziterror auf hundertsechzehn Personen dezimiert. Sehenswert sind auch andere mächtige Bauten des späten 19. Jahrhunderts, so das städtische Vereinshaus, in dem sich ein geräumiges Kaffeehaus befindet. Und große Dinge sind noch geplant: ein neues Gebäude für die Westböhmische Galerie, ein neues Theaterhaus, ein neues multikulturelles Viertel für Design und nicht-professionelle Künstler sowie ein neuer Freizeitpark samt Hochseilgarten und Kletterwand. Spätestens zum Jahresanfang 2015 sollen diese Vorhaben verwirklicht sein, in diesem Jahr ist Pilsen nämlich zusammen mit dem belgischen Mons Kulturhauptstadt Europas.
    Die historischen Prägungen der Stadt offenbart indes am besten der große Platz in der Mitte – vom gotischen Dom und dem Renaissance-Rathaus über die Pestsäule aus der Habsburger Zeit bis zu den Schnörkeleien des Historismus und dem Brutalo-Beton der kommunistischen Zeit. Auch das Zeitalter der Globalisierung hinterlässt schon Spuren. Einst hatte das heimische Gebräu so sehr die Bierkultur geprägt, dass Pils und Pilsner allgemein zum Begriff für helles Lagerbier wurden, und die Erfinder sahen sich 1898 veranlasst, sich den Begriff des Pilsner Urquells als Schutzmarke zu sichern. Heute erfährt, wer das Besucherzentrum der Brauerei betritt, als Erstes, dass die große Firma mittlerweile ein Teil eines noch viel größeren Weltkonzerns ist. Nach der Wende von 1989 wurde das Pilsner Brauhaus privatisiert, 1999 kam es an die South African Breweries, die 2002 mit dem US -Unternehmen Miller fusionierten und mittlerweile nach Anheuser-Busch die zweitgrößte Brauereigruppe der Welt sind. Pilsner Urquell steht in einer Schau-Galerie im Eingangsbereich jetzt in einer Reihe mit Bieren aus ganz Europa sowie aus Afrika, Asien und Amerika.

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