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Lesereise Sizilien

Lesereise Sizilien

Titel: Lesereise Sizilien
Autoren: Natalie John
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ist die Tochter einfacher Handwerksleute, der Vater Bergarbeiter in einer Mine. Den größten Teil seiner Kindheit verbringt Sciascia mit dem Großvater und den Tanten. Bereits mit acht Jahren entdeckt er seine Liebe zum Schreiben und zur Geschichte. 1935 zieht er um nach Caltanissetta und schreibt sich ein in das Institut » IX Maggio«. Später arbeitet er als Lehrer in Recalmuto, doch stets bleibt er der landwirtschaftlichen Welt tief verbunden. 1944 heiratet er die Lehrerin Maria Andronico und bekommt zwei Töchter mit ihr. 1948 wirft ihn der Selbstmord seines Bruders in eine tiefe Krise. 1952 veröffentlicht er seine ersten Werke, 1953 gewinnt er den »Premio Pirandello« und zieht nach Palermo. Doch er kommt immer wieder zurück ins beschauliche Recalmuto, um dort zu schreiben.
    »Die Sizilianer, sagt Di Castro, ein Schriftsteller des 16. Jahrhunderts, sind im Allgemeinen eher schlau als klug, eher heftig als aufrichtig, sie lieben das Neue, sind streitsüchtig, schmeichlerisch und von Natur aus missgünstig; als scharfe Kritik der Handlungen ihrer Regierenden halten sie alles für einfach zu verwirklichen, was sie nach eigenem Bekunden an Stelle der Regierenden tun würden. Andererseits sind sie gehorsam gegenüber Recht und Gesetz, treu und stets hilfsbereit gegenüber dem König, den Fremden zugetan und äußerst zuvorkommend beim Schließen von Freundschaften. Ihr Wesen besteht aus zwei Extremen: Sie sind über die Maßen furchtsam und über die Maßen verwegen. Furchtsam, wenn sie ihre Geschäfte betreiben, denn sie sind dabei sehr auf den eigenen Vorteil bedacht, um ihr Ziel zu erreichen, verwandeln sich in lauter Proteusgestalten, ordnen sich jedem unter, der ihnen den Weg ebnen kann, und werden dermaßen diensteifrig, dass sie zum Dienen geradezu geboren scheinen. Unglaubliche Verwegenheit aber zeichnet sie aus, sobald sie das Gemeinwesen führen; dann handeln sie ganz anders …« So urteilt Sciascia in dem Klassiker »Sizilien und das Sizilianische« über seine Landsleute – und er muss es wissen, denn sein moralisches Engagement veranlasst ihn schließlich, sich aktiv in der Politik zu betätigen. 1975 wird er als Unabhängiger in den Stadtrat von Palermo gewählt, doch schon bald distanziert er sich wieder von dieser Aufgabe. »Und zuvor noch hatte er darauf hingewiesen, dass Sizilien für all seine Regierenden verhängnisvoll gewesen sei; denn die meisten von ihnen hätten in diesem Reich ihren guten Ruf in einer Weise eingebüßt, dass er sich nicht einmal mehr in der Nachwelt habe wieder herstellen lassen. Kurzum ein schwer zu regierendes, da schwer zu verstehendes Land. Schwer zu verstehen nicht nur wegen des widersprüchlichen und extremen Wesens seiner Bewohner, sondern auch wegen seiner Rechtseinrichtungen, wegen des umständlichen Zusammenspiels der Jurisdiktionen, all jener Privilegien und Immunitäten, deren Verschwinden im vorigen Jahrhundert Auswirkungen hatte, die immer noch deutlich sichtbar sind.« Worte, aus denen seine tiefe Enttäuschung sprach. Doch er wäre nicht Schriftsteller, hätte er nicht gleich auch eine Erklärung – oder eine Entschuldigung? – parat: »Zugrunde liegen all dem ganz offensichtlich die geografischen Verhältnisse: Sizilien ist eine Insel im Zentrum des Mittelmeers, aber seiner großen Bedeutung in einem, sagen wir, strategischen System, seiner Bedeutung als Schlussstein, der den erobernden Völkern Macht und Herrschaft sicherte, stand paradoxerweise eine Schwäche der Verteidigung gegenüber, eine Unsicherheit, die es zusammen mit dem Bestreben, sich von dem jeweils gültigen Machtsystem zu lösen, offen und für jede militärische und politische Aktion zugänglich machte … Man kann also sagen, dass Unsicherheit der wichtigste Faktor in der sizilianischen Geschichte ist und sich im Allgemeinen wie individuellen Verhalten, in der Daseinsweise und Lebensauffassung niederschlägt, in Furcht, Sorge, Misstrauen, unzugänglichen Leidenschaften; in der Unfähigkeit, außerhalb von Gefühlsbindungen Beziehungen aufzubauen; in Gewalt, Pessimismus und Fatalismus …« Sein Ideal der Gerechtigkeit – das ihm den Beinamen »Voltaire des 20. Jahrhunderts« einträgt – konfrontiert ihn ständig mit den Aktionen der sizilianischen Mafia: ein oftmals wiederkehrendes Thema seiner literarischen Kriminalromane. In diesem Genre ist »Der Tag der Eule« (1961) sein erfolgreichstes Buch, das ebenso wie »Tote auf Bestellung« auch verfilmt wird.
    Obwohl Sciascia lange
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