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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden
Autoren: Rasso Knoller
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godkänd – also »guter«, »sehr guter« und »ausgesprochen guter Leistung«. Für schlechte Leistungen gibt es keine Noten. Schüler, die das Klassenziel nicht erreichen, bekommen nur eine ausführliche Begründung ins Zeugnis geschrieben.
    Mit dem Abschlusszeugnis der Grundschule darf man das Gymnasium besuchen. Und zwar jeder. Die Noten spielen dabei keine Rolle. Das alles hört sich für deutsche Ohren nicht sehr leistungsfördernd an, scheint aber zu funktionieren. In der viel diskutierten Pisa-Studie liegen die schwedischen Schüler regelmäßig deutlich vor ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen.
    Bei solchen Voraussetzungen könnte sogar ich mir vorstellen, nochmals zur Schule zu gehen. Dann wäre auch ich duktig . Die Albträume, die ich als Schüler hatte, wären mir erspart geblieben.
    Auch der, der sich durch große Leistungen auszeichnet und offensichtlich besser ist als lagom , stellt sich so durchschnittlich wie möglich dar. Mit überlegenem Wissen gibt man in Schweden ebenso wenig an wie mit Reichtum. Ferrari macht dort nicht nur wegen der winterlichen Straßenverhältnisse ein schlechtes Geschäft. An diese Regel müssen sich auch Politiker halten. Solche, die bei Fernsehdiskussionen besserwisserisch auftreten, wie die beiden deutschen Ex-Bundeskanzler Schröder und Kohl, hätten in Schweden keine Chance. Als Führungsstärke würde das niemand ansehen – im Gegenteil. Der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Göran Persson, der wegen seines früher rüden Auftretens »Bulle-Persson« genannt wurde, musste sich erst selbst disziplinieren, bevor er bei den schwedischen Wählern ankam. Als er dann im Wahlkampf 2006 in sein altes Gebaren zurückfiel und Journalisten, die ihm unliebsame Fragen stellten, maßregelte, sanken sofort seine Popularitätswerte. Obwohl das Land unter seiner Regierung hervorragende Wirtschaftsdaten aufweisen konnte, wurde Persson nicht wiedergewählt.
    Auch im Geschäftsleben bringt allzu deutlich zur Schau getragene Selbstsicherheit nichts. Damit haben deutsche Manager, die mit schwedischen Unternehmen ins Geschäft kommen wollen, häufig Probleme. Sie sind harte Diskussionen gewöhnt, pochen auf ihren Standpunkt und rücken nur widerwillig von ihren Forderungen ab. So mancher deutsche Firmenchef ist schon zufrieden lächelnd und die Hände reibend aus einer Verhandlung gegangen, weil er glaubte, sich gegen seinen schwedischen Gesprächspartner durchgesetzt zu haben. Später musste er dann erstaunt feststellen, dass der anvisierte Vertrag nicht unterzeichnet wurde.
    Dabei hätte er sich nicht zu wundern brauchen – hat er doch gegen das Jantegesetz verstoßen. Normalerweise wird verhandelt, bis ein Konsens gefunden ist. Das sind Deutsche nicht gewöhnt, sie wollen ihre Interessen durchsetzen. Ist kein Kompromiss möglich, stimmen die Schweden irgendwann höflich zu – der Streit ist vermieden, aber nachgegeben haben sie deswegen noch lange nicht.
    Bescheidenheit wird sogar von den Großen des Sports erwartet. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland sind alle Mannschaften standesgemäß mit dem Flugzeug oder dem eigenen Bus zu den Spielen angereist. Bis auf eine: Die Schweden waren mit der Bundesbahn unterwegs. Etwas anderes hätte man zu Hause im Drei-Kronen-Reich auch nicht verstanden.
    Die skandinavische Kompromissfähigkeit ist ein Grund dafür, dass in der Politik etwas funktioniert, was bei uns undenkbar wäre: Minderheitsregierungen sind im Norden der Normalfall. Kein Oppositionsführer käme auf die Idee, die Regierung zu erpressen, nur weil diese auf die Stimmen seiner Partei angewiesen ist. Man diskutiert einfach so lange, bis man sich einig wird – ein Verfahren, das manchmal sehr viel Zeit kostet und deswegen nicht immer zum Vorteil des Landes ist.
    Das Jantegesetz hat noch weitere negative Seiten. Ehrgeiz wird oft mit Egoismus gleichgesetzt. Wer auf seiner kritischen, vom Mainstream abweichenden Meinung beharrt, wird leicht als arrogant angesehen. Da hilft es dann auch nicht, wenn die Ansicht des »Abweichlers« nachweislich die richtige ist. Anpassung wird nicht nur von Ausländern erwartet, die in Schweden leben, sondern auch von den eigenen Leuten. »Wir machen das hier so und so« ist eine oft gehörte nordische Floskel, die sich auf jeden Lebensbereich anwenden lässt. Sie heißt nichts anderes als: »Wenn du dazugehören willst, dann passe dich an. Wir sind nichts Besonderes, aber du bist es auch nicht.«
    Die folgende
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