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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden
Autoren: Rasso Knoller
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anderen Ende des Freizeitparks, auf dem Weg dorthin bleibt genügend Zeit für Fragen. Und so will ich von Emmelie wissen, wie ihr Arbeitstag aussieht.
    »Eigentlich ganz normal«, sagt sie, »ich habe geregelte Arbeitszeiten wie jeder Angestellte auch. Um neun Uhr fange ich an, dann ziehe ich mich um, probe mit den Kollegen, und von halb elf bis viertel nach zwölf treten wir in der Villa Kunterbunt auf.« Auf dem Programm stehen kleine Theaterstücke. »Zwischendurch spielen wir mit den Kindern.«
    Nach der Mittagspause geht es um halb zwei weiter. Wieder treten Pippi und ihre Freunde in der Villa Kunterbunt auf. Zum Abschluss steht auf der Hauptbühne der große Nachmittagsauftritt, zusammen mit all den anderen Helden aus Astrid Lindgrens Büchern, auf dem Programm. Dienstschluss sechzehn Uhr dreißig.
    »Ist es denn schwer, ständig lustig sein zu müssen?«
    »Ja, manchmal schon«, erwidert Emmelie. »Auch ich habe schlechte Tage, aber sobald ich in die Rolle der Pippi schlüpfe, überträgt sich deren Energie und Fröhlichkeit auf mich.«
    Pippi zu sein sei wie eine Therapie, erzählt Emmelie weiter: »Ich habe von Pippi gelernt, Sachen einfach auf sich beruhen zu lassen und schlechte Dinge beiseitezulegen.«
    Und: »Pippi hat ein großes Selbstbewusstsein und steht für die Dinge ein, an die sie glaubt. So stark wie sie bin ich leider noch nicht«, sagt Emmelie Rosenberg und lacht ihr gewinnendes Pippilächeln.
    Nein, schlechte Laune darf nicht sein. Das merke ich, als ich mit Emmelie an der Villa Kunterbunt ankomme. Als Pippi Langstrumpf trägt man eine enorme Verantwortung. Das weiß auch Emmelie: »Die Kinder freuen sich oft wochenlang darauf, mich zu sehen. Wäre ich dann nicht lustig, würde ich sie total enttäuschen.«
    Auch ich spüre die Freude der Kinder. Hunderte kleine Augenpaare glänzen während Pippis Auftritt. Aufgeregte Schreie, Lachen und Jauchzen. Rein in die Villa Kunterbunt, vom Balkon der Mama winken, raus aus der Villa Kunterbunt, dem Papa erzählen, wie es dort drin aussieht. Pippi am Kleid ziehen, Mama erzählen, dass man Pippi am Kleid gezogen hat. Kinderwelten können so einfach sein und so ganz ohne Probleme.
    Pippi Langstrumpf ist die wahrscheinlich bekannteste Schwedin. »Geboren« wurde sie 1941. Damals erzählte Astrid Lindgren ihrer Tochter erstmals die Geschichte des selbstbewussten und klugen Mädchens. Eines Mädchens, das immerzu Schabernack im Kopf hatte und ziemlich frech war – ein sympathisches Gör, das die Erwachsenen nicht automatisch als Autorität anerkannte. Ein bisschen von Pippi steckte in Astrid Lindgren – oder umgekehrt. Auch die Schriftstellerin war unangepasst und ließ sich nicht in ein Raster zwängen. Selbst im Alter hat sie das Spielerische beibehalten und ist irgendwo immer ein Kind geblieben. Es gibt Bilder von ihr als Siebzigjähriger, die zeigen, wie sie in Bäumen herumklettert. »Warum soll eine alte Frau das nicht dürfen, wenn ihr danach ist?«, fragte sie dann.
    Astrid Lindgrens Bücher wurden in mehr als siebzig Sprachen übersetzt, einzig Shakespeare ist in noch mehr Sprachen erhältlich. Achtzig Millionen Mal wurden ihre Bücher weltweit verkauft. In Deutschland gingen zwanzig Millionen über den Ladentisch. Die Schriftstellerin war aber nicht nur die Mutter von Pippi, Michel, Ronja und vieler anderer Figuren – sie war auch ein sozial engagierter Mensch. Besonders für die Rechte von Kindern und Tieren setzte sie sich ein Leben lang ein. Und dafür wurde sie ebenso ausgezeichnet wie für ihre schriftstellerische Leistung. Mehr als fünfzig Preise erhielt sie insgesamt. Darunter auch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und gleich drei Ehrendoktortitel. Seit 1978 fliegt sogar ein Asteroid, der ihren Namen trägt, durchs Weltall. Nur den Nobelpreis für Literatur bekam sie nie. Das war sogar dem Nobelpreiskomitee selbst peinlich. Normalerweise geben dessen strenge Literaturpäpste keine Begründung ab, warum sie jemanden nicht auswählen. In Lindgrens Fall machten sie eine Ausnahme und bedauerten öffentlich, dass Kinderbuchautoren keinen Nobelpreis gewinnen könnten. Und so erfand die Regierung den »Nobelpreis der schwedischen Regierung«. Den verlieh sie nur ein einziges Mal – an Astrid Lindgren, zu ihrem neunzigsten Geburtstag. Dotiert war er mit derselben Summe wie der Nobelpreis für Literatur.
    Es ist nicht leicht, im Freizeitpark »Astrid Lindgrens Värld« die Rolle der Pippi spielen zu dürfen. Auf dem Tisch der
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