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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden
Autoren: Rasso Knoller
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friedliches Zusammenleben.
    Doch tief im Inneren nagen noch immer Ressentiments. Der Finne schimpft den Schweden hochnäsig. Der wiederum stempelt, wenn er ganz ehrlich ist, den Finnen trotz Nokia und Hightechboom immer noch als den einfachen Bauernburschen vom Land ab.
    Beste Voraussetzungen also für hitzige Sportwettkämpfe.
    Die Emotionen gingen von Anfang an hoch. Bereits 1931, nur sechs Jahre nach dem ersten Länderkampf, prügelten sich während des Rennens einige der Achthundert-Meter-Läufer. Auch auf Funktionärsebene wurde damals tüchtig gestritten. Denn die Schweden sorgten dafür, dass Paavo Nurmi wegen des damals noch verbotenen Profitums international gesperrt wurde. Das tat den Finnen weh: Der Wunderläufer hatte bei den Länderkämpfen immer die meisten Punkte gesammelt. Nach so viel Gemeinheit hatten die denn auch genug: Sie sagten in den folgenden Jahren die Wettkämpfe ab. Erst acht Jahre später trafen die Sportler erneut aufeinander.
    Sven klebt noch immer an seinem Sessel. Inzwischen hat das Speerwerfen begonnen. Er ist besorgt, denn in dieser Disziplin haben die Finnen traditionell die Favoritenrolle inne. »Pitkämäki ist wohl nicht zu schlagen«, erklärt er mir und fängt gleich an zu rechnen. »Das macht schon mal sechs Punkte für Finnland.« Aber es kommt noch schlimmer für Sven: Auch Platz zwei geht an die Finnen. Nun reicht es ihm, er braucht eine Pause. Wir machen uns auf den Weg zur Veranda des Sommerhauses, auf der Svens Frau schon den Kaffeetisch gedeckt hat.
    Doch auch dort rutscht Sven unruhig auf seinem Stuhl hin und her, ist nur mit einem Ohr bei unserem Gespräch. Mit dem anderen ist er noch immer im Wohnzimmer, lauscht auf die Laute aus dem Fernseher, der im Hintergrund läuft. Er entspannt sich erst, als er vom letzten Jahr zu erzählen beginnt. Damals fand der Wettkampf in Göteborg statt, und Sven war live dabei. Nun schwärmt er von der Stimmung und stimmt draußen auf der Terrasse probeweise seinen »Heja Sverige«-Ruf an. Gleichzeitig wedelt er mit geschlossener Faust über seinem Kopf hin und her, als wolle er das Schwenken der Fahne simulieren. Seine Frau verdreht genervt die Augen. Doch davon lässt sich Sven nicht abhalten und erzählt, wie er zusammen mit den anderen fünfundzwanzigtausend Zuschauern die Welle gemacht hat. Ich will ihn ein bisschen provozieren und frage: »Nur fünfundzwanzigtausend? Bringen die Finnen nicht noch viel mehr Zuschauer zusammen?« Das saß – Sven wirkt etwas ernüchtert. Doch so leicht gibt er sich nicht geschlagen: Ja, es sei wahr, das meist ausverkaufte Helsinkier Olympiastadion fasse vierzigtausend Zuschauer. Doch Finnland sei schließlich die kleinere Nation – und für den David sei es immer wichtig, den Goliath zu besiegen. In Schweden, sagt Sven, sehe man das viel entspannter.
    Wir schweigen eine Weile, nippen an unseren Kaffeetassen. Aus dem Wohnzimmer vernehmen wir die Stimme des schwedischen Reporters. Die Finnen hätten für die eigenen Leute mehr geklatscht als für die Schweden, sagt er, und sein Ton klingt anklagend. »Bei uns kommt das nicht vor«, fügt er hinzu. »Wir feuern alle an.«
    Sven nickt.

Die berühmteste Schwedin
Besuch bei Pippi Langstrumpf
    Pippi Langstrumpf ist auf dem Weg zur Arbeit, in blauer Bluse, weißer Strickjacke und Jeans. Die blonden Haare hat sie mit einem Tuch zurückgebunden. Pippi ist spät dran und rennt fast durch »Astrid Lindgrens Värld« in Vimmerby. Um halb elf beginnt die Vorstellung und Pippi ist noch immer Emmelie Rosenberg. Die vierundzwanzigjährige Absolventin einer Musik- und Theaterhochschule hat einen seltenen Beruf: Sie ist Pippi Langstrumpf in einem Freizeitpark.
    Zehn Minuten später verschwindet Emmelie in der Umkleidekabine und schlüpft in ihre Arbeitskleidung. Gelbe und schwarze Strümpfe, ein blaues Kleid, ausgelatschte schwarze Schuhe. Das wichtigste Requisit ist jedoch die rote Perücke mit den beiden Zöpfen. Zum Schluss malt sie sich noch braune Punkte ins Gesicht. Sommersprossen. Jetzt endlich ist Emmelie Pippi. Die Umkleidekabine befindet sich in einem einfachen Container. Davor warten schon Pippis Vater Ephraim, der Matrose Fridolf, die Polizisten Kling und Klang und Frau Prusselius. Gemeinsames Aufwärmen ist angesagt. Die Schauspieler sprechen ein paar Textpassagen durch, und dann singen sie. »Hier kommt Pippi«, klingt es mir laut entgegen. Danach begleite ich die sechs Schauspieler zu ihrem Arbeitsplatz – der Villa Kunterbunt. Sie liegt am
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