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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom
Autoren: Klaus Brill
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Wer bestimmt in der Familie, ist Aldo der große Patriarch?
    O, welch Grinsen überläuft da die Gesichter der beiden Frauen. Anna wedelt verneinend mit dem Zeigefinger, und Aldo fällt lachend ein: »Sie hat mehr Macht als ich, weil die Töchter immer auf ihrer Seite sind.« Nichts Genaues hört man nicht, Anna führt die Kasse, Aldo das Kommando, es kommt vor, dass aus der Küche lautstark seine Stimme dringt. Vermutlich muss man Italiener sein, um solch ein Familienleben in seinen tausend Tönungen zu fühlen. Jedenfalls sagt Aldo: »Ohne Familienangehörige gehst du ein mit einem solchen Betrieb, das ist ein anderer Geist.« Jedenfalls meint Mario: »Besser in der Familie arbeiten als unter einem Chef.« Und jedenfalls berichtet Amedeo, dass die Großfamilie im August, wenn der PommidoroSommerpause macht, gemeinsam in Urlaub fährt, letztes Jahr nach Griechenland, amici waren auch dabei, im ganzen sechsunddreißig Personen. »Entweder sind wir verrückt oder wir mögen uns gerne«, sagt Amedeo. Dieses Jahr geht es nach Sardinien.
    Dina schnippelt Bohnen, Aldo hackt nun Rindersteaks, und Anna richtet einen Kalbsrollbraten her. »Schau her«, ruft sie. »Es muss das Rückenstück vom Kalb sein, die Rippen werden ausgebeint.« Man nehme also Karotten, Schweinebacke, Sellerie, gekochte Eier und Butter, lege dies auf dem Rückenstück längs in einer Reihe aus, würze mit Pfeffer, Salz und Rosmarin. Sodann wird die Füllung in den Fleischlappen eingewickelt und verschnürt. Anna packt die dreigezinkte Gabel, dreht die Flamme auf, die Hitze wallt, das Fleisch kommt in den Topf. Bald wird Aldo wieder die Serviette schultern, ein Schwiegersohn wird die erste Portion spaghetti alla carbonara ordern, gegen Abend werden Anna und Aldo ein Stündchen vor dem Fernseher dämmern, und dann wird es wieder Nacht.
    Anna zieht die weiße Schürze und die Haube aus, die sie seit dem Morgen trägt. Den Dreizack hat sie fortgelegt, die Flammen gelöscht, längst ist das Rattern des Kreditkartengeräts und das Klappern der Geschirrwäsche verklungen. Wie immer und noch immer ist Anna gut gelaunt, als schöpfte sie aus ihren Töpfen schiere Lebenslust und Kraft. Sie hat vorhin Benito mit einer Melonenschale verfolgt und grinsend ein Schlagerchen geträllert: »Das Leben ist ein Paradies der Lügen.« Da durfte Aldo sich gefoppt fühlen: »Er hat mir ein schönes Leben versprochen, und jetzt das hier.« Und nun, Anna? Nicht müde nach der Schlacht? »Nein«, sagt Anna und lacht, »jetzt würde ich tanzen gehen.« Und hat den ganzen Tag noch nichts gegessen als ein Stückchen Fisch.

Immer Anschluss unter dieser Nummer
In der Messe, auf der Dampfwalze, beim Friseur: das »telefonino«
    In Italien nennt man das Ding telefonino , und es läutet überall. In einem Dorf bei Genua hat vor einigen Jahren der Pfarrer seine Sonntagsmesse zelebriert, als die Gläubigen unversehens bemerkten, dass vom Altar ein schrilles Klingeln drang, das keineswegs von den Schellen der Messdiener herrühren konnte. Der Priester, unruhig geworden, ließ von seinem heiligen Ritus ab, nestelte am Messgewand herum, arbeitete sich vor bis in die Taschen der Soutane und zog daraus ein kleines Telefon hervor. Er schaltete es ein und sagte: »Pronto.« Das sagt man in Italien immer, wenn man angerufen wird, um kundzutun, dass man bereit ist zum Gespräch.
    Nach Angaben von Augenzeugen sprach der Geistliche nur ein paar aufgeregte Worte in die Muschel und steckte das telefonino rasch wieder in die Tasche, um in der Messe fortzufahren. Es gab indes fromme Zuschauer, die am profanen Vorgang Anstoß nahmen und eine örtliche Katholikenzeitschrift ins Bild setzten, sodass der Vorfall eine öffentliche Erörterung nebst Ermahnung für den Pfarrer nach sich zog. Natürlich war es diesem peinlich, und natürlich war nicht mehr passiert, als dass dieser vergessen hatte, das telefonino für die Dauer der Messe abzuschalten.
    Indes belegt das Ereignis, dass in Italien das schnurlose Mobiltelefon allmählich in die letzten Winkel des Landes vordringt. Was sich in Deutschland unter dem merkwürdigen Begriff Handy eingebürgert hat, ist südlich der Alpen schon etwas länger im Schwange und stieß in den vergangenen Jahren noch immer auf eine Nachfrage, mit der Italien alle anderen Länder Europas hinter sich lässt.
    Wie alles in Italien, so ist auch diese Zeiterscheinung vor aller Augen sichtbar ausgestellt. Auch in Rom hört man es allenthalben aus Hand- und Gürteltaschen fiepen,
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