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Lesereise Rom

Lesereise Rom

Titel: Lesereise Rom
Autoren: Klaus Brill
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Verständigung zwischen Christen und Moslems über einige Dörfer im Libanon zur Folge hatten. 1990 trafen sich in jenem mittelalterlichen Karmeliterinnen-Kloster namens Sant’ Egidio, das seit mehr als zwanzig Jahren der Sitz der Gemeinschaft ist, Vertreter der verfeindeten Bürgerkriegsparteien aus Mosambik zu Friedensgesprächen. Der bärtige Professor Riccardi, der Priester Matteo Zuppi und zwei weitere Helfer fungierten als Vermittler; nach kraftzehrenden Verhandlungen, die zweieinviertel Jahre in Anspruch nahmen, kam ein Friedensvertrag zwischen Regierung und Guerilla zustande, und es endete ein Krieg, der sechzehn Jahre gedauert und eine Million Menschen das Leben gekostet hatte. Im Klosterhof von Sant’ Egidio steht seither eine mächtige Bananenstaude, die den Gastgebern damals geschenkt wurde.
    Der Erfolg war nicht im Alleingang zu erzielen, sondern nur in engster Zusammenarbeit mit dem italienischen Außenministerium und der katholischen Kirche in Mosambik sowie in stetiger Fühlungnahme mit dem Vatikan. Papst Johannes Paul II. war auf die Gemeinschaft Sant’ Egidio schon 1978 bei einem Pfarrbesuch am Stadtrand von Rom aufmerksam geworden, der Kontakt wurde im Lauf der Jahre stetig herzlicher, und über Jahre hin lud der Papst aus Polen Andrea Riccardi zusammen mit Don Vincenzo Paglia, dem Pfarrer von Santa Maria in Trastevere und kirchlichen Generalbeistand der Gemeinschaft, zweimal im Jahr zum Essen ein. In jüngerer Zeit ist der immer noch jugendlich wirkende Professor, der zu seinen Werken auch ein Buch über die Macht der Päpste zählt, zudem mehrfach als Leitartikler im Osservatore Romano , dem Organ des Vatikan, hervorgetreten.
    Diese Nähe zum Oberhaupt der katholischen Kirche hat der Rolle von Sant’ Egidio zusätzliches Gewicht gegeben, wiewohl Andrea Riccardi die Journalistenformel von der »Paralleldiplomatie des Vatikan« keineswegs akzeptiert. Man entscheide frei über das eigene Vorgehen und frage den Vatikan nicht um Erlaubnis, halte ihn aber ständig auf dem Laufenden, sagt er.
    Die Rechnung scheint aufzugehen, denn die Gemeinschaft von Sant’ Egidio ist mittlerweile an einer ganzen Reihe von Krisenherden tätig geworden. Im Kosovo half sie eine Übereinkunft zwischen Serben und Kosovo-Albanern über das Schulwesen auszuhandeln. In Guatemala knüpfte sie Kontakte zur Regierung wie zur gegnerischen Guerilla und führte Vertreter beider Seiten in ihrem Kloster in Trastevere und an anderen Orten zusammen; mit Hilfe der UNO und anderer Organisationen kam schließlich im Dezember 1996 ein Friedensvertrag zustande, der einen fünfundzwanzigjährigen bewaffneten Konflikt vorerst beilegte.
    Als diplomatische Pfadfinder engagierten sich die Idealisten aus Trastevere auch im früheren Jugoslawien, zu Gast in ihrem Kloster waren ferner führende Politiker aus dem von schweren Kämpfen und Hungersnöten geplagten Sudan. Der Konflikt in Angola veranlasste die Gemeinschaft ebenso zu diskreten Gesprächen wie die Stammeskriege in Burundi, deretwegen sich der frühere tansanische Präsident Julius Nyrere und der US -Diplomat Howard Wolpe eine Zeit lang im Kloster Sant’ Egidio aufhielten.
    Andrea Riccardi und seine Freunde haben nicht nur das Wohlwollen des Papstes und das Lob des früheren UNO -Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali errungen, sondern weitere konkrete Ergebnisse erzielt, die auch die professionellen Diplomaten aufhorchen ließen. Anfang 1995 verständigten sich in Trastevere die Führer der verschiedensten Oppositionsparteien Algeriens auf eine gemeinsame politische Plattform für eine Lösung des blutigen Konflikts in ihrem Lande; die algerische Regierung freilich boykottierte die Zusammenkunft, das Morden hörte zunächst nicht auf. Im Juni 1997 unterzeichneten die Führer dreier verfeindeter Parteien Albaniens kurz vor der Parlamentswahl im Kloster von Sant’ Egidio ein Fairness-Abkommen.
    So erklärt sich, wieso in dem stillen, alten Konvent mitten in Trastevere seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit hohe Politiker, darunter gar Staatspräsidenten, Regierungschefs und Außenminister zu Besuch sind und warum die gelegentlichen Empfänge im früheren Speisesaal von Sant’ Egidio auch von den in Rom ansässigen Botschaftern und Journalisten gern besucht werden. Seit geraumer Zeit ist die tätige Gemeinschaft auch als Anwärter für den Friedensnobelpreis im Gespräch. 2009 erhielt Andrea Riccardi den renommierten Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen.
    Dass einer ihrer
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