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Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Titel: Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
Autoren: Picus-Verlag
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bittere Äpfel werden zu gleichen Teilen verwendet, etwa ein Fünftel machen saure Äpfel aus.
    Geerntet wird, wenn etwa zehn Prozent der Äpfel am Boden liegen. Dann werden die Früchte gestampft. Einige Wochen dauert es, bis der Apfelmost zu Cidre vergärt, dessen Alkoholgehalt um fünf Volumenprozent liegt. Aus zwei Jahre gelagertem Cidre wird dann nach zwei Destillationen, dem Roh- und dem darauf folgenden Feinbrand, der Calvados der Zukunft. Zur endgültigen Reifung muss dieser noch mindestens zwei Jahre im Eichenfass lagern. »Die Fässer müssen alt sein, damit der Inhalt sich langsam entwickelt«, mahnt Guillaume. Ehemalige Sherry- oder Weinfässer können sich positiv auf das Aroma auswirken. Jedes Fass ist anders, und erst nach einer Verkostung wird entschieden, wie es für den Schnaps weitergeht, ob er zunächst in ein jüngeres, dann in ein älteres Fass umgefüllt wird. Der Lagerraum muss kühl sein und gerade genug Luftfeuchtigkeit aufweisen. Bevor der Calvados abgefüllt wird, verdünnt man die Spirituose, die mit einem Alkoholgehalt von rund siebzig Volumenprozent nach dem zweiten Brand noch nicht sonderlich bekömmlich ist, mit Wasser, sodass sie mit Genuss getrunken werden kann.
    Zweitausend Fässer besitzt die Brennerei, einige sind hundert Jahre alt. Der älteste Calvados der Drouins stammt aus dem Jahr 1948. Sogar ein Vorkriegsschnaps ist noch im Besitz der Familie. Alter ist hier ein Vorzug: Kenner schwören auf den Âge d’Or, der mindestens zwölf Jahre gereift ist.
    Guillaume Drouin führt die Calvados-Brennerei in den Hügeln von Conneville bei Honfleur in dritter Generation. Sein Großvater Christian kaufte 1960 ein Landhaus in der Gegend. Dort wuchsen wie fast überall in diesem Teil der Normandie Apfelbäume, deren Früchte er an Brennereien verkaufte. Da das nur wenig einbrachte, beschloss er, lieber selbst Calvados herzustellen. Das geht jedoch nicht von heute auf morgen. »Zwanzig Jahre lang destillierte er, ohne eine Flasche zu verkaufen«, erzählt sein Enkel Guillaume, der die Geschäfte im Jahr 2004 übernahm. »Dann hatte er einen guten Vorrat an Jahrgängen, von denen jeder unterschiedlich gealtert war.« Aus diesem Fundus schuf Guillaumes Vater im Jahr 1980 die Marke Cœur de Lion, Löwenherz. Dabei sah er durchaus nicht ein, dass Cognac in die ganze Welt exportiert wird, während der Calvados allzu fest in Bars und Restaurants der Normandie verwurzelt schien.
    »Mein Vater sprach mit Köchen und Sommeliers in Spitzenrestaurants und fuhr mit seinem Calvados durch die ganze Welt«, erzählt Guillaume Drouin. Mit Erfolg. Noch in den achtziger Jahren etablierte sich das Löwenherz in Deutschland, heute weiß man die Apfelschnäpse, für die die Familie mittlerweile hundertfünfundvierzig Medaillen gesammelt hat, auch in Japan, Russland und den Vereinigten Staaten zu schätzen.
    In die Literatur hatte der normannische Apfelbranntwein da längst Eingang gefunden. George Simenons unsterblicher Kommissar Maigret wusste sich bei einem Herrengedeck aus Kaffee und Calvados zu entspannen und manchen klaren Gedanken zu fassen. Erich Maria Remarque lässt die beiden Liebenden in seinem Emigrantendrama »Arc de Triomphe« Calvados trinken, wenn sie glücklich sind. Kein Zweifel: Der Calvados ist ein Schluck für viele Gelegenheiten.
    An andere Momente lässt er sich anpassen. Der pommeau , der zu drei Vierteln aus Apfelsaft besteht, zu einem Viertel aus Calvados, passt gut zu foie gras und eignet sich als apéritif . Durch die Verlängerung mit Saft erreicht er zudem ein größeres Publikum als sein kurzer Bruder.
    »In den vierziger Jahren trank man Calvados gerne weiß, also ungereift«, erzählt Guillaume Drouin. Keine ganz leichte Angelegenheit, denn in diesem Stadium beträgt der Alkoholgehalt des Tropfens gut sechzig Volumenprozent. Bei gereiftem Calvados liegt der Alkoholgehalt bei etwas verträglicheren vierzig bis fünfundvierzig Volumenprozent. »Aus Respekt vor der Tradition haben wir uns vor acht Jahren entschieden, wieder einen Weißen zu produzieren.« Sonderlich leicht verkäuflich ist dieses »Eau-de-Vie de Cidre« nicht, denn »Calvados de Normandie« darf nur heißen, was mindestens zwei Jahre gereift ist (und aus elf genau definierten Gebieten der Normandie stammt). So ist der Weiße vor allem etwas für Liebhaber und Nostalgiker.
    Obwohl der gereifte Calvados seinen Weg zunehmend auch in schicke Bars findet – sogar in der »Hemingway Bar« des Pariser Ritz wird ein
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