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Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Titel: Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
Autoren: Picus-Verlag
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Haus der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Delamares steht, heute nach dem Namen eines Flusses im Roman »Fonteneau« heißt, beweist jedenfalls, dass aus Dichtung manchmal tatsächlich Wahrheit wird.
    Auf dem Kirchhof, der einen Steinwurf hinter der Markthalle auf einem Hügel liegt, erzählen zwei Grabsteine neben der Kirchenmauer die Geschichte einer unglücklichen Familie. Die erste Frau von Eugène Delamare starb bald nach der Hochzeit. Eine Gedenktafel erinnert an seine zweite Gattin: Delphine Delamare, geborene Couturier, verschied 1848 im Alter von sechsundzwanzig Jahren. Ihr Grabstein wurde gestohlen, auf der Tafel, die der Verband französischer Schriftsteller 1990 stiftete, ergänzt der Zusatz »Madame Bovary« ihren Mädchennamen. Eugène folgte Delphine kurz darauf im Alter von siebenunddreißig Jahren. Hell scheint die Sonne auf die einsamen Gedenksteine der so sinnlos Verstorbenen. Immerhin, so könnte man sich trösten, ist Weltliteratur daraus geworden.

Für alle Fälle Calvados
Ihrer Bilderbuchlandschaft aus Kuhweiden und Apfelbäumen verdankt die Normandie ihre drei berühmten »C«
    Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert liegt in goldenem Septembersonnenschein. Die Luft duftet nach Hefe. Im Obstgarten hat die Ernte begonnen. Berge roter, gelber und grüner Äpfel sind bereits gepflückt und ordentlich nach Farben sortiert zu beachtlichen Bergen aufgehäuft. Einige Bäume biegen sich noch unter Früchten. Bilderbuch-Normandie eben; nur die grasenden Kühe fehlen. Landschaften wie diese sind für bedeutsame Merkmale der Region verantwortlich: Calvados, Cidre, Camembert und die rasche Gewichtszunahme von Normandie-Reisenden.
    »Wir haben dreißig Apfelsorten in unserem Obstgarten«, erklärt Guillaume Drouin, der das Idyll dieses alten Hofs sein eigen nennt. So sonderlich viel sei das aber gar nicht, fügt er mit bescheidenem Stolz hinzu. Denn: »In der Normandie haben wir zweihundert verschiedene Apfelsorten.« Davon sind allerdings längst nicht alle für die Calvados-Herstellung geeignet. Tatsächlich sind nur achtundvierzig Sorten zugelassen. Neben unterschiedlichen Aromen, die eine Wissenschaft für sich darstellen, sind auch prosaische Qualitäten gefragt: Die Äpfel müssen den Winter gut überstehen – viele werden erst zu Beginn der kalten Jahreszeit geerntet – und sich bis zum Frühling ohne Qualitätsbeeinträchtigung lagern lassen.
    Menschen prägen die Landschaften, in denen sie leben. Und zwar nicht selten, bis diese unter Straßen, Schildern und sonstiger Bebauung oder unmäßiger agrarischer Nutzung kaum mehr zu erkennen sind. Aber Landschaften prägen auch die Menschen, die sie bewohnen, ihren Lebensstil und ihre kulinarischen Gepflogenheiten. In der ganzen Normandie gibt es nur einen einzigen Winzer, im Département Calvados. Gérard Samson ist zwar von Haus aus Notar, doch sein Herz schlägt für den Wein. Deshalb hat er mit normannischem Eigensinn und viel Sachverstand in Saint-Pierre-sur-Dives das erstklassige Weingut »Les Arpents du Soleil« aufgebaut. Er profitiert dabei von einem exzellenten Mikroklima, gutem Boden und südlichen Hanglagen. In der Regel eignen sich Klima und Böden der Normandie jedoch weniger für die Hege von Rebstöcken als die meisten anderen Gegenden Frankreichs. Doch aus saftigen Weiden, blühenden Obstgärten und Salzmarschen lässt sich eben auch eine Menge machen.
    Auch wenn die Spätsommersonne nicht immer von samtig blauem Himmel scheint, sondern oft genug der Wind mehrere Wetterumschwünge pro Tag bringt. Calvados-Wetter das ganze Jahr eben. Was für Generationen von Malern interessante Lichtstudien bedeutet hat, zählt für Reisende so immerhin als Entschuldigung für ausgedehnte Besuche in den Destillerien, von denen es über vierzig gibt – die Mehrzahl davon im Département Calvados.
    Die Départements Calvados und Orne bilden das Land, in dem nicht nur Cidre und Calvados fließen, sondern vor allem der Rohstoff dieser gehaltvollen normannischen Spezialitäten wächst: der Cidre-Apfel. Äpfel, die sich für die Herstellung von Cidre und Calvados eignen, sind ihrer farbenfrohen Schönheit zum Trotz nicht notwendigerweise besonders schmackhaft, wenn man sie direkt vom Baum pflückt und isst. Viele Sorten sind sogar ziemlich bitter – und dennoch die Basis für Getränke, die am Ende des Herstellungsprozesses geschmacklich überzeugen. Für den Geschmack des Calvados ist das Verhältnis der Apfelsorten entscheidend: Süße und
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