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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr
Autoren: Christian Wittenberg
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freundlichen Begrüßungsworten weiß ich: ein Volltreffer!
    Frau Wallner kümmert sich liebevoll um mich, schmeißt für mich die Waschmaschine und den Trockner an, bringt mir Kaffee und Kuchen. Ich dusche und telefoniere lange mit Silvia, dann kommt Frau Wallner auf ein Schwätzchen. Sie fragt mich ein bisschen aus, wie ich auf den Jakobsweg komme — sie ist gläubige Katholikin, doch konfessionell sehr aufgeschlossen. Als sie mir erzählt, dass sie jedes Jahr eine Wallfahrt organisiert — Lou-rdes, Rom usw. — schenke ich ihr spontan eine Kopie vom „Pilgerlied“. Sie freut sich ehrlich darüber!
    Ich hole die Wäsche aus dem Trockner, mache mir einen Tee, schreibe Tagebuch und vertilge den sehr guten, doch fast „bleifreien“ Holunderlikör, den mir Marie Wallner kredenzt hat. Jetzt mache ich mir noch eine Leberwurstsemmel, trinke meinen Tee — morgen Früh bügeln und um halb acht gibt’s Frühstück. Ich bin gespannt, was ich zu zahlen habe — doch ich denke, es wird human werden.

Freitag, 6. Mai 2005
Aichstetten – Weitprechts 26 km

    Es wurde human: gar nichts! „Mich macht’s nicht arm und dir hilft’s! Dafür nimmst du mich mit nach Santiago!“ Mir kommen wieder die Tränen. Endlos könnte ich quatschen und beim Frühstück sitzen bleiben, so lieb und herzlich sind die Wallners — und draußen regnet’s!
    Um neun Uhr raffe ich mich endlich auf. Durch ein schönes Wiesental nach Altmanshofen. Es regnet und ein umhangbewehrter Radfahrer lacht mich an: „Hat’s dich auch erwischt?!“ Im Ort suche ich mir ein windgeschütztes Eck und es gelingt mir, den Poncho über das Gepäck und mich zu ziehen — eine etwas knifflige Sache, denn das ist eigentlich ein Fahrradponcho und die Proportionen stimmen da nicht so ganz: Vorne hängt er mir bis an die Knie und hinten spannt er um den Rucksack.
    Unter der A 96 durch — die habe ich am Dienstagabend schon einmal unterquert. Und jetzt geht’s durch ein Bachtal wie aus einem Märchenfilm. Da komme ich auch an meinem Traumhaus vorbei: einsames Gehöft mit Schuppen und kleinem Stall, einem schönen Obstgarten und einem riesigen Teich!
    Unmerklich, den Bach entlang, ist das Gelände fast 100 Meter angestiegen und als ich aus dem Wald heraustrete, pfeift ein grausamer Wind, zusätzlich zum peitschenden Regen. Mein Umhang flattert in alle Richtungen, ich friere gottserbärmlich an den Händen — heute Morgen habe ich Depp die Handschuhe ganz unten in den Rucksack gesteckt! In Gospolzhofen verkrieche ich mich im Bushäuschen und fische die Handschuhe heraus: Danke, Silvia, dass du sie mir aufgedrängt hast! Nun geht es über weites, offenes Ried, es pfeift wie an der Nordsee, doch mir ist angenehm warm. Ich stelle nur fest, dass ich heute langsam gehe — dafür muss ich am Berg nicht so oft verschnaufen. Der Regen hat inzwischen nachgelassen, doch kurz vor Brugg kommt eine peitschende Bö und in Sekundenschnelle bin ich ab Mitte Oberschenkel bis unten vollkommen durchweicht.
    Doch da ist der „Wirt von Brugg“, den mir Herr Wallner zum Übernachten empfohlen hat — ich kehre ein. Eine wunderbare Brätspätzlesuppe und ein Tee für zusammen 3,60 € — da kann man nichts sagen! Ich erzähle dem Wirt und einem Gast woher und wohin, nenne Rohrbach oder das Nächste als Tagesziel und man rät mir ab: Die Gasthäuser dort haben keine Zimmer. Ich höre auf ihren Rat und laufe nach Weitprechts: teilweise sehr schön, aber alles auf unangenehmem Teer, ganze Strecken auf der Staatsstraße. Die Steigung nach der Ziegelei schlaucht mich — dafür wäre der Blick zurück umso schöner, wenn nicht alles von Regenvorhängen verschleiert wäre. Mitten im Wald an der Straße ein einsamer Bildstock mit der Jahreszahl 1745: an einer Seite ein gesottener Märtyrer (St. Vitus, erklärt mir am Abend die Gastwirtin) wie die Karikatur eines Missionars im Kannibalentopf, in der Mitte eine Madonna und an der dritten Seite ein Martin, der seinen Mantel teilt.
    Einturnerberg: an der „großen“ Straße eine ganze Reihe alter Kreuzwegstationen — alte Steinstöcke, doch die bemalten Reliefs in den Schaunischen sehen recht „neu“ aus. Ich versuche, in die Kirche zu kommen, die ausnahmsweise nicht barock aussieht — an den Außenwänden deuten einige eingemauerte Grabsteine auf ein hohes Alter hin. Leider alles verschlossen — mal hinfahren! Überhaupt ist dies eine Landschaft zum Urlaubmachen!
    Es fängt wieder an, zu regnen. In Weitprechts lockt der „Ochse“ —
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