Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr
Autoren: Christian Wittenberg
Vom Netzwerk:
ist, Gott zu suchen. Als ich gegen halb zwölf nach oben gehen will, verabschiedet sich Jens feierlich mit Handschlag: „Es war mir eine Ehre, Sie kennenzulernen!“ Und den Anderen muss ich hoch und heilig versprechen, aus Santiago eine Karte zu schreiben!

Sonntag, 8. Mai 2005
Weißenau – Freidrichshafen - Schiff Konstanz 26 , km

    Um sechs Uhr bin ich wach und um halb sieben werfe ich den Zimmerschlüssel in den Briefkasten. Nachdem mir die Karte nicht sagt, wo ich bin, laufe ich erstmal verkehrt — mache einen weiten Bogen nach Osten, finde mich aber bald auf markiertem Weg. Im Schussenwald verfolgen mich Raben — ein ganz seltsam anrührender Laut sind ihre Rufe — zauberhaft, verzaubert im jungen Buchenholz. Die Sonne bricht durch — das erste Mal seit Tagen! An der Pferdepension in Weiler mache ich kurz halt und ziehe die Regenjacke aus — endlich! Ich koche drunter im eigenen Schweiß und beginne, meine Sparsamkeit, die mich abgehalten hat, vor dem Abmarsch zeitgemäße Regenkleidung samt Poncho zu kaufen, zu verwünschen: Die Jacke, die ich trage, ist zwar regendicht, aber auch alles andere als atmungsaktiv!
    Endloses Strassengeklotze — Gott sei Dank kein Verkehr. Da: eine Jakobswegmarkierung — der folge ich natürlich! Ein Feldweg, aufgeweicht, lehmig — und dann ist er zu Ende: Wo er war, hat man von beiden Seiten bis an die Grenze gepflügt und in den Furchen steht das Wasser. Ich rette mich mit lehmverklumpten Stiefeln, Hosen und Stöcken in eine Wiese mit kniehohem Gras — da werde ich zwar nass, aber halbwegs sauber — über den gepflegten Rasen eines Einfamilienhauses zurück auf die Straße. Am Ortseingang Brockenzell wieder ein Jakobswegweiser, der nach Karte gar nicht da sein dürfte. Das ist der Weg nach Konstanz — ich will aber runter nach Friedrichshafen und bleibe lieber auf der Straße.
    Am Schloss von Hirschlatt mache ich im Bushäuschen Rast, und dann ist es, meine ich, nur noch ein Katzensprung nach Friedrichshafen. Nur: Die Beschilderung ist dürftig, die Karte ist bei den Wanderwegen ungenau — dennoch finde ich zum Hafen und bin gegen 12.20 Uhr dort. Ich frage einen Hafenarbeiter nach dem Schiff nach Konstanz — Pier 4 sagt er, und als ich dort hinkomme legt gerade das Schiff ab! Das nächste Boot fährt 16.48 Uhr! Die Sonne ist warm, also ein paar Stunden Stadtbummel, einfach, aber teuer essen. Soll ich ins Zeppelinmuseum? Ich streife lieber durch den Park und am Seeufer entlang. Um sechzehn Uhr setze ich mich an die Anlegestelle, komme mit einer geschwätzigen alten Dame ins Gespräch und bin froh, dass ich sie beim Einsteigen „verliere“.
    Als das Schiff in Konstanz anlegt, begrüßen mich die beiden Holländer von der Kirche in Ravensburg freundlich. Ich habe keine Lust, quer durch die Stadt drei Kilometer zur Jugendherberge zu laufen. Also informiere ich mich gleich hier im Hafen an einer Anschlagtafel und leiste mir ein Privatzimmer direkt am Münster. Nicht gerade billig, doch sehr schön und sauber, 100% schwedisches Möbelhaus! Ich wasche meine lehmigen, nassen und verschwitzten Kleider von Hand, hoffe auf den Trockner, der in der Gemeinschaftsküche läuft, unterhalte mich ein bisschen mit einer netten Mitbewohnerin, wringe meine Wäsche aus und lege sie auf den Trockner.
    Ich gehe ins Münster — dort endet gerade ein ökumenischer Friedensgottesdienst — , frage eine evangelische Pastorin und dann die Mesnerin, die gerade abschließt, nach dem Jakobswegweiser. Ich finde ihn — die 1950 Kilometer, die er ansagt, erscheinen mir etwas unrealistisch, doch ich beschließe, mich morgen früh davor fotografieren zu lassen.
    Am Eck ein Restaurant, türkisch, aber gut und günstig! Der Trockner mit der fremden Wäsche ist fast fertig, so lese ich noch ein bisschen im NT: Paulus als Diener aller Christen, der deshalb nicht zu arbeiten braucht — theologische Grundlage des Berufspriestertums und eines schmarotzenden Klerus?
    Ich räume die fremde Wäsche aus dem Trockner, stecke die meine rein, gehe ins Bett. In der Nacht wache ich ein paar mal auf kontrolliere die Wäsche — der Trockner leistet Schwerstarbeit, doch bis morgen früh wird alles trocken sein!

Montag, 9 . Mai 2005
Konstanz — Affelt rangen 27 km

    Um sechs Uhr beschließe ich, noch eine halbe Stunde zu schlafen. Meine Kleider sind trocken, ich packe, mache mir einen Tee in der Flasche und überlege: Rasttag? Nein! Ultreia!
    Ich frühstücke bei McDonalds — überraschend gut — schreibe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher