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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr
Autoren: Christian Wittenberg
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mehr für einen Pilger — Studienwoche — doch es gäbe da eine von der Gemeinde unterhaltene kostenlose Unterkunft für Durchreisende. Der hilfsbereite Pförtner meldet mich an und ich stiefle hin — ziemlich weit außerhalb, noch hinter evangelischer Kirche und Friedhof. Ich läute — ein übertätowierter Mensch in schmuddligem Unterhemd drückt mir einen Schlüssel in die Hand: „Morgen früh in den Briefkasten schmeißen!“ Und rums — ist die Türe wieder zu.
    Ich schließe auf: ein Drecknest! Als erstes verräume ich das Bettzeug auf das zweite Bett und breite meinen Schlafsack aus — ich will mir ja nicht Ich-weiß-nicht-was holen! Auch auf die Dusche verzichte ich dankend. Ich gehe noch mal in die Stadt — es hat endlich aufgehört zu regnen — finde einen Friseur. Eine hübsche Türkin schneidet, während die Chefin überwacht. Ich kaufe Brot und Wurst für morgen und genehmige mir ein Abendessen im Gasthof. Gegen neunzehn Uhr liege ich im Bett und schlafe unruhig.

Donnerstag, 5. Mai 2005 – Himmelfahrt
Ottobeuren – Aichstetten 27 km

    Um halb sechs weckt mich eine schmetternde Amsel — es regnet! Zähneputzen, der Versuch, zu frühstücken — kein Hunger. Zu einem Becher Wasser würge ich eine Wurst runter und eine halbe trockene Semmel — die andere Hälfte schmeiße ich in die Büsche hinterm Haus.
    Es hat aufgehört zu regnen. Durch den stillen Ort — es ist viertel vor sieben, als ich an der Basilika vorbeikomme — schlägt die Glocke. Im Bannwald ist hervorragend ausgeschildert, auch Jakobswegmarkierungen: der Weg von Memmingen nach Bad Grönenbach. Steil bergauf und bergab — die Aufstiege schlauchen, doch nach eineinhalb Stunden bin ich in Niederdorf.
    Ich sitze auf der Bank an der Dorflinde, verdrücke einen Müsliriegel und trinke Wasser, da komme ich mit einer Frau ins Gespräch, die ihren ausgebüxten Rauhaardackel heimholt. Die Tochter führt eine wunderschöne Fuchsstute vorbei und ich lache: „Die könnte ich jetzt gebrauchen!“ Der Sohn kommt hinzu, fragt nach dem Woher und Wohin und ich nenne Kronburg als Minimalziel. Das seien nur noch fünf Kilometer! Na, dann muss es mindestens bis Lautrach gehen. Ich bitte ihn um heißes Wasser, damit ich mir einen Tee machen kann — er nimmt meine Flasche und kommt mit einem wunderbaren Kräutertee zurück.
    Weiter nach Zell. Am Ortsende biege ich — der Karte glaubend — auf einen Waldweg ab. Und jetzt verfranze ich mich hoffnungslos! Endlich finde ich eine Jakobswegmarkierung, folge ihr über einen kniehoch nassen Wiesenweg, und dann bin ich auf der Straße nach Kronburg — fast schon im Ort! Trotzdem: Auf diesen zwei Kilometern Luftlinie bin ich eine volle Stunde umhergeirrt, habe eineinhalb Stunden gebraucht statt einer halben und bin von den Knien abwärts nass bis auf die Haut.
    Eigentlich wollte ich das Kronburger Schloss besichtigen — doch das ist nahe genug, um mal mit Silvia einen Ausflug dorthin zu machen — der Ausblick über das Allgäu muss gigantisch sein! Nur heute ist’s recht neblig und bewölkt und ich kann das Panorama nur ahnen.
    Ich verkneife mir die von den freundlichen Niederdorfern empfohlene Einkehr beim Bräu und folge dem Wegweiser nach Illerbeuren. Nur: Heute ist wohl mein „Verirrtag“. Anstatt von Südwesten komme ich fast von Norden, am Bauernhofmuseum vorbei, in den Ort. Da steht gegenüber vom Museum vor einer Pizzeria der junge Mann aus Niederdorf, grüßt freundlich und erzählt offensichtlich seinen Vatertagsausflugskumpeln, wer ich bin und was ich vorhabe.
    Mittlerweile regnet es wieder Schnüre. Ich überquere die Iller, mache kurz Rast im Schutz des Bushäuschens an der Durchgangsstraße, orientiere mich nach der Karte und den Wegweisern. Hochgeklettert zum Schloss, steil den Berg hinab und noch steiler die Aichstetter Straße wieder hoch. Ich schnaufe wie eine alte Dampflokomotive und muss immer wieder Halt machen. Oben auf der Höhe wird der Regen wieder stärker. Ich überlege, mich irgendwo unterzustellen, doch dann fasse ich den Entschluss: Sollte ich in Aichstetten ein Zimmer bekommen, wird der Tag zu Ende sein!
    Und wirklich fällt dort mein Blick auf ein Schild: Zimmer. Das sind nur ein paar Schritte vom Weg, ich klingle zaghaft — schließlich bin ich nass wie eine gebadete Katze. Eine ältere, mütterliche Frau öffnet: „Buu, komm ner rein!“ Fast traue ich mich nicht, die Teppiche zu betreten mit meinem tropfenden Poncho und den quatschnassen Stiefeln. Doch nach den
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