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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei
Autoren: Vicki Stiefel
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schmeichelnd auf Will einredete.
    »Ich verstehe das alles nicht, Joy«, sagte Will. »Und ich wünschte, du hättest nicht meine Fallen benutzt.«
    »Himmel noch mal. Jetzt schaff endlich Noah rauf nach Aroostook und sieh zu, dass du ihn loswirst.«
    »Das ist nicht recht, Joy.«
    Sie entfernten sich. Ich konnte sie nicht länger sehen. Und hören wollte ich sie nicht. Lieber Gott, diese Schmerzen.
    Wenn ich doch nur an mein Pfefferspray kommen könnte.
    Mein Arm glitt zur Seite. Die Tasche lag direkt neben mir.
    Das Pfefferspray war weg. Genau wie mein Handy.
    Ich bewegte nur die Augen und suchte den Boden ab. Ich entdeckte es. Zu weit weg.
    Tränen brannten mir in den Augen, aber ich kämpfte dagegen an.
    Ich durfte nicht klein beigeben. Nicht jetzt.
    Galle stieg in mir hoch. Ich schluckte heftig.
    Moment. Etwas anderes. Holz. Ich tastete mit der Hand nach dem Stück Holz, das halb verborgen in einem hohen Grasbüschel lag. Meine Finger berührten es und streichelten über die glatte Oberfläche. Ich krallte sie um den Griff. Ich hatte Wills Astschere gefunden.
    Ich zwang mich dazu, ganz langsam zu machen, und zog sie zu mir heran. Sie roch nach Pflanzensaft, als ich sie dicht am Körper hielt.
    Eine Fliegentür schlug, dann folgten lange Momente, in denen ich gegen den Schmerz und den Schwindel ankämpfte. Ein Auto wurde angelassen. Noahs Jeep mit dem kaputten Auspuff. Joy brüllte noch »Auf Wiedersehen«, als das Motorengeräusch leiser wurde.
    Sie würde mich bald holen.
    Ich hörte Geräusche in meiner Nähe, und dann schob Joy einen Schubkarren neben mich. Sie ging Kaugummi kauend vor mir in die Hocke. »Tut mir leid, das alles, Tally.«
    »Dann lassen Sie mich gehen, Joy.« Schmerzen durchzuckten mein Bein und meinen Kopf. »Bitte.«
    »Das geht nicht.« Sie strich mir über die Wange. »Das wird jetzt wehtun. Gary habe ich das Valium verabreicht und Drew die Kekse mit dem Narkotikum. Das hat es ihnen leichter gemacht, verstehen Sie? Aber für Sie kann ich das nicht tun. Die Polizei würde es herausfinden. Ich fühle mich schlecht deswegen.«
    Sie nahm den Kaugummi aus dem Mund, rollte ihn zusammen und warf ihn fort. Sie drückte ein neues Quadrat aus der Blisterpackung und schob es in den Mund.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte ich. »Nikotinkaugummis. Sie versuchen aufzuhören, stimmt’s?«
    Sie seufzte. »Ja. Nicht, dass ich je hier zu Hause und in Scooters Nähe geraucht hätte, aber … Ich muss einfach rauchen, wenn ich so angespannt bin. Ich hab mir gedacht, dass ich besser ganz aufhöre, als eine Bekannte von mir, die bei der Polizei arbeitet, in die Post kam und erzählte, dass Ihr dummer Köter die Zigarettenstummel gefunden hat.«
    Von den Zigaretten, die sie geraucht hatte, als sie Laura beim Sterben zusah. »Was ist mit Scooter und den Fallen?«
    »Scooter ist drinnen, und die Tür ist verriegelt. Ich habe ihm jede Menge Bücher und einen Müsliriegel gegeben.«
    »Denken Sie doch an Ihren Sohn«, sagte ich. »Wie sehr ihn das mitnehmen wird.«
    »Kein bisschen. Ich habe alles genau geplant. Die Fallen. Alles. Ich wusste, dass Sie wieder hier rauskommen würden. Sie sind die Letzte.«
    »Haben Sie das bei Laura auch schon gesagt? Und bei Gary? Oder Drew? Und was ist mit Noah?«
    »Der ist tot, bevor Will in Aroostook ist.«
    »Joy«, sagte ich. »Denken Sie doch einmal nach. Auch ich habe Hoffnungen, Träume, Freunde. Genau wie bei Ihnen gibt es Leute, die ich liebe und die mich lieben. Und …«
    Sie wollte mich hochziehen.
    Meine Hände umklammerten die spitze Astschere, und ich wollte mich auf sie werfen.
    Eine Tür schlug.
    »Mama?«
    »Scooter?«, schrie Joy. »Bleib, wo du bist. Nicht bewegen, Schatz.«
    Ich riss den Kopf herum. Scooter tapste die Treppe von der rückseitigen Veranda herunter und kicherte, als er auf uns zukam.
    » Nein! « Joy rannte los und sprang über die Löcher, die sie gegraben hatte. Sie flog auf Scooter zu. Da verfing ihr Fuß sich in einem Ast.
    »Mama!«
    Sie flog durch die Luft, streckte sich, versuchte, auf dem Weg zu landen, aber …
    Zwei rostige, spitzzahnige Metallbügel schnellten in die Höhe.
    »Joy!«
    Sie schrie, riss die Arme hoch und streckte sie ihrem Sohn entgegen, als das Fangeisen zuschnappte.
    Ich schloss die Augen.
    Ich lag benommen im Gras und spürte nur noch wenig Schmerzen, während ich unablässig auf Scooter einredete, bei seiner Mommy zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Er saß auf dem Boden, hatte seine kleinen Finger in ihrem Haar
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