Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
Mrs. Pollifax. »Ich habe ihn anläßlich seiner wenigen Amerika-Tourneen in der Carnegie Hall gehört.«
»Das war Anyetas Mann. Er war ein halber Zigeuner. Sie aber ist eine Vollblutzigeunerin und konnte das neue Leben nicht ertragen. Angeblich wurde sie mager, blaß und melancholisch und wäre beinahe gestorben. Sie mußte wieder zu ihren Leuten zurück.«
»Ich kann das nur teilweise verstehen«, sagte Mrs. Pollifax. »Vor zwei Tagen hätte ich es überhaupt nicht begriffen.«
Die Nacht senkte sich rasch über der Hochebene. Yule war mit dem zweiten Pferd zurückgekehrt. Ja, der Engländer und Dimitri hatten am Nachmittag den Lastwagen erreicht. Yule hatte abgewartet, bis die Batterie wieder eingebaut war und der Laster abgefahren. Die Staubwolke war meilenweit zu sehen gewesen. Er war sicher, daß die beiden gut auf der Straße nach Kirsehir angekommen seien. Goru kam erst zurück, als es bereits dunkel war. Er hatte viele Polizeistreifen auf den Straßen gesehen, war ihnen jedoch ausgewichen und hatte den Flugplatz gefunden. Außerdem hatte er eine Gebirgsschlucht entdeckt, in der sie das Felsland durchqueren konnten, ohne dabei auf Hauptstraßen zu stoßen. Goru sah erschöpft aus. Er schien das ganze Tal nach der besten Route abgesucht zu haben.
Magda trug unter ihren türkischen Pluderhosen Mrs. Pollifax' Strickkostüm und Bluse. Jetzt übergab Mrs. Pollifax ihr den Paß und Geld. »Falls wir getrennt werden sollten«, sagte sie.
Knapp nach zehn Uhr brachen sie auf. Sie hatten überlegt, ob sich drei Wagen - als Ablenkungsmanövernach Süden wenden sollten, aber der Vorschlag war rasch verworfen worden. Anyeta sagte bestimmt: »Wir Zigeuner bleiben zusammen. Wir leben und sterben gemeinsam. Wir kämpfen auch gemeinsam.« Mrs. Pollifax nahm den Beschluß erleichtert zur Kenntnis. Zwar stimmte es, daß sechs Wagen weniger wendig und auffälliger waren, aber sie fühlte sich doch bedeutend sicherer, wenn alle beisammen blieben. Als Gruppe waren die Zigeuner nicht leicht zu schlagen, wie sie aus der Erfahrung des Vorabends wußte.
Sie fuhren an Ürgüp vorbei durch das Tal, bis sie in den Schatten des Topuz Dagi gelangten, der mit seinem einsamen Gipfel im Osten Wache hielt. Die Nacht war heller als die vorangegangene.
»Später wird der Mond aufgehen«, sagte Colin.
»Wie viele Meilen sind es bis Kayseri?« fragte Mrs. Pollifax.
»Zu weit für die Karren«, sagte er. »Vielleicht aber will Goru unterwegs kampieren und das letzte Stück reiten. Oder vielleicht ist die Route eine Abkürzung. Nach der Landkarte läßt sich das schwer beurteilen.«
»Verlassen Sie sich auf Goru«, sagte Magda überzeugt. »Er hat im Zweiten Weltkrieg bei den jugoslawischen Partisanen gekämpft und kennt sich aus.« Befangen lächelte sie Mrs. Pollifax an und sagte: »Sie haben mich gar nicht gefragt, warum ich nach Schottland will - falls mir die Flucht glückt.«
Mrs. Pollifax schmunzelte. »Ich wusste, Sie würden es mir sagen, wenn Ihnen danach zumute ist.«
»Hugh hat dort ein Jagdhaus. Gelingt es mir, nach London zu kommen, dann werde ich vom Flugplatz ein Telegramm nach Washington schicken und neuerlich untertauchen. Sie werden begreifen, daß ich unansprechbar bin, solange ich Dimitri nicht bei mir habe.«
Mrs. Pollifax sagte: »Ja, ich verstehe Sie recht gut. Und ich werde Sie nicht nach der Adresse fragen.«
»Ich danke Ihnen.«
Eine bitterkalte Nacht hatte den heißen Tag abgelöst. Gegen zwei Uhr hielt die Karawane. Brot und Wasserkrüge wurden verteilt, und Goru prüfte die Räder und Achsen der Wagen. Alle sprachen nur im Flüsterton. Bald ging die Reise weiter. Im Mondlicht stachen die Felstürme kalkweiß vom Himmel ab.
Um vier Uhr früh lief die Nachricht durch die Wagenkette, daß ein Reiter sie verfolge. Jetzt erst bemerkte Mrs. Pollifax, daß Goru den Zug von Spähern überwachen ließ, und das Auftauchen eines Verfolgers erschien ihr unerklärlich und beängstigend.
»Es könnte Sebastian sein«, meinte Colin optimistisch, »ein einzelner Reiter stellt für dreißig Zigeuner keinerlei Bedrohung dar. Warum hält Goru nicht an und stellt fest, wer es ist?« Colin sprang vom Wagen. »Ich gehe nach vorn und erkundige mich.«
Kurz darauf kam er zurück. »Der Unbekannte bleibt in gleichbleibender Entfernung von uns. Anfangs hielten die Zigeuner das für einen Zufall, aber der Reiter folgt uns bei allen Biegungen haarscharf nach. Goru sagt, daß wir nicht die Zeit hätten, anzuhalten. Es ist bereits halb fünf, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher